Otto Wilhelmy

Tagebuch 1b vom 6.11.96 - 5.5.98

06 - 11 - 96

Die Masse Mensch, was ist das überhaupt? Ich höre noch Manfred Koschorke in Königsberg sagen: Er finde, es sei erstaunlich, wie Hitler die Massen in der Hand habe. Dabei war er selber alles andere als ein Natzi. Es ist sicher die Faszination, die die Massen anzieht. Also eine einfache Idee, die uns Menschen einleuchtet und wünschenswert erschscheint. z.B.: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ oder auch ein „Gottesstaat“, was gleichbedeutend mit „Königsherrschaft Gottes“ ist. Ist das Fasziniernde diese Konzentration der Masse Mensch , die auch schon beim Turmbau zu Babel eine Rolle spielte? Man will beisammenbleiben und sucht nach etwas Verbindendem. Das Nationale ist bei uns in Verruf geraten. Die neue Faszination soll nun ausgehen von dem Begriff „Industriestandort Deutschland“. Das Vereinigte Europa, anfänglich auch als Faszination gedacht, hat seine Faszination im Laufe der Vorbereitung verloren. Der Papst, die Königin Elisabeth, die Königshäuser in Europa vermögen immer noch die Herzen ihrer Anhänger zu erwärmen. Aber immer mehr nur als Symbole, nicht als echte lebensnotwendige Machtfaktoren. Was will ich eigentlich mit diesem Suchen? Ich will wissen, warum wir Menschen scheinbar zwingend nach Bindungen an einen Mittelpunkt suchen. Die erste Zelle der Menschheit ist die Familie, dann der Stamm, ihm folgt das Volk und schließlich die ganze Menschheit auf dieser Erde. In der ersten Zelle dominierte der Vater u.s.w. Aber dominierte der Vater wirklich? War er doch, so sagen wenigstens die frühisraelitischen Erzähler, kein Freund von Herrschaft. (Jetzt bin ich auf der richtigen Spur. Der Wunsch nach diesem Beisammenbleiben kommt aus der Frühzeit der Menschheit).
 

07 - 11 - 96

Uns fällt es schwer, eine andere als die uns gewohnte Form des Zusammenlebens für möglich zu halten. Unser Zusammenleben ist geprägt von der Bibel. Solange es im Guten geht, gibts keine Probleme. Aber dann, wenn es nicht nach unserem Willen geht oder nach Gesetz und Ordnung, dann hat „unsere Geduld schnell ein Ende“ und wir versuchen die Eigenwilligkeit, mit der wir es da zu tun haben, dem jeweiligen Kind oder Erwachsenen abzukaufen. Anders geht es nämlich nicht, will man nicht Gewalt anwenden. Der Kaufpreis ist entweder das Angebot der Straffreiheit oder das Versprechen einer Belohnung. In dieser Form des Zusammenlebens sind wir aufgewachsen in Familie und Gesellschaft. Die Eigenwilligkeit als Bosheit bewertend wurde unterdrückt, anstatt sie behutsam zur Willensbildung zu gebrauchen.
 

08 - 11 - 96

In unserem Leben dominiert das „Du sollst“. Warum nicht ein „ Ich will“? Ich will Kinder oder ich will keine Kinder. Ich will zur Schule und ich will in ihr lernen. Ich will eine Demokratie und ich will die Teilung der drei Gewalten. Ich will lieben. Ich will meinem Mitmenschen ein Segen sein.
 

09 - 11 - 96

Ich weiß, was lieben heißt. Ich will meine „Sonne scheinen lassen über Gute und Böse und meinen Regen fallen lassen auf Gerechte und Ungerechte“. Wie soll das denn zugehen? Du hast doch eben erst gehört, dass   die Terroristen auf Korsika finanziert werden von Baulöwen, die die schönsten Strände der Insel mit ihren Hotels zubauen und den Widerstand der Bevölkerung oder der örtlichen Behörden durch den Terror brechen wollen. Immer wieder fällt mein Blick auf die Banken, die diese noblen Verbrecher finanzieren, die dann ihrerseits wieder das Gesindel bezahlen, das für Geld zu erpressen bereit ist. Wir haben die Gewaltenteilung in unserem Staat. Wir brauchten sie auch im Umgang mit dem Gelde. Ich träume. Lässt sich am Zustand unserer Gesellschaft noch etwas grundlegend ändern? Trotz Kirche und Christentum sind wir so korrupt geworden. War es einmal anders? War das keine Schutzgelderpressung, als die Adeligen den Bauern in ihrem Bezirk Schutz verhießen, wenn sie ihr Land als Lehen von ihnen nahmen?
Und hielten die Bauern sich dann nicht ein wenig schadlos, wenn sie die zehnte Garbe, die sie dem Lehnsherrn schuldeten dünner banden als die eigenen? Ein Pfarrer in Röddenau, dessen Vorgänger den großen Besitz an kirchlichen Ländereien schlampig verwaltet hatten, versuchte um 1800 mit Rechtsmitteln den abhanden gekommenen Besitz der Kirche wieder herein zu holen. Das gab Ärger mit den Bauern. Der Pfarrer revanchierte sich in seiner Chronik der Gemeinde mit der Bemerkung: „Alle Bauern sind von Natur aus Betrüger.“ Ich denke an Steuerhinterziehung heute. Alle Menschen von Natur aus Betrüger? Nein , das laß ich nicht gelten. Es gibt solche, die wollen nicht betrügen. Auf's Wollen kommt's an. Zum „Wollen des Guten“ sind wir aber durch unsere Erziehung nicht geprägt, weil das Sache eines Heiligen Geistes sein soll.
 

10 - 11 - 96

Es ist Sonntag. Zwei Gottesdienste habe ich gehört. Den einen in unserer Dorfkirche und den anderen im Radio. Der gleiche Text. Thessa.l: Vom kommenden Endgericht und uns als den Kindern des Lichtes. Was ist geblieben? Bei unserem Dorfpfarrer: Eine Kinderschar mit ihren Laternen im Dunkel der Nacht auf dem Wege, auf dem ihr eine andere gleicher Art entgegenkommt und sich mit ihr vereinigt. - Vom anderen Pfarrer, einer luth. Freikirche in Verden an der Aller: Die Kinder des Lichtes tragen Brillen, mit denen sie die Zukunft klarer sehen und darum leichter dies Leben meistern.
Dieses wenig Befriedigende geht zu Lasten meines Gedächtnisses. Aber wer bei dem Elend unserer Zeit einsetzt, kommt nie zum Übergewicht des Trostes. Das habe ich bei meiner Predigtarbeit gelernt. Beide setzten bei den Nöten unserer Zeit ein.   Aber diese Methode, vom Elend der Menschheit ausgehend, ihm den Rettungsring des Evangeliums zu zu werfen, ist alt. Sie galt schon in meiner Studentenzeit. Die moralische Auswertung von Texten war die andere Methode. So predigte z.B. Prof. Fetzer in Tübingen den Einzug Jesu in Jerusalem unter dem „Skopus“: Seid demütig wie Jesus auch war. Das war „gesetzlich“ für die Ohren von Studenten der Bek. Kirche, bei denen nicht „Gesetz“ sondern „Evangelium“ verkündigt werden sollte. Ach wie liegt das weit zurück.
 

11 - 11 - 96

Ich las gestern bei Goethe in seinen „Guten Weibern“: „Warum denn immer bös oder gut! Müssen wir nicht mit uns selbst, so wie mit anderen vorlieb nehmen, wie die Natur uns hat hervorbringen mögen und wie sich jeder allenfalls durch eine mögliche Bildung besser zieht?“ Ich denke: Das ist die Sicht Jesu. Auch hier ist sie nicht der Bibel, sondern dem Leben abgelesen.
 

15 - 11 - 96

 Im Hinblick auf unsere gegenwärtige Situation könnte man tatsächlich von einem „Jammertal“ reden. Jugoslawien, Palästina, Algerien, Korsika, Saire u.u.u. In Prag wurden gänzlich überhöhte Ozonwerte gemessen. Genmanipuliertes Sojamehl ist längst, in Narungsmitteln versteckt, im Gebrauch. Wer macht die Landwirte so skrupellos, dass sie ohne Rücksicht auf Mensch und Tier ihre Produkte produzieren? Wer die Fabrikanten von Waffen und Giftgas? Ich weiß jetzt, dass diese Skrupellosigkeit anerzogen ist. Der Wille zum Guten ist bei den biblischen Religionen verkümmert. Paulus hat mit dazu beigetragen, wenn er im Tone der Hilflosigkeit schreibt: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht“. Warum denn nicht? Nur weil in deiner Bibel steht, dass „der Mensch böse sei von Jugend an“ und dein HERRgott seine Krone verliert, wenn er sich nicht mehr gnädig zu einem armen Sünder hinabneigen kann? Der Wille zum Guten, der Wille zur Liebe. Ich kann nachts schlecht schlafen. Über Jahrzehnte habe ich mich im autogenen Training geübt. Nächtelang das Programm heruntergebetet. Nie Schwere gefühlt, ein wenig Wärme und Stirnkühle. Wenn einer sich damit abgequält hat, dann ich, seit 1959. Jetzt mache ich es nur noch gelegentlich zur Abwechslung und immer noch mit der Hoffnung, einmal so recht eine Wirkung zu verspüren. Jetzt will ich schlafen.
Das ist jetzt meine Litanei. Verbunden mit tiefem Atmen gelingt mir das fast immer.
 

17 - 11 - 96

Volkstrauertag. Der Gottesdienst aus der Kreuzkirche in Bonn. Er weckte Erinnernungen an mein Bonner Semester 1935, dem letzten K. Barths. Ich habe noch an den Bibelstunden in seinem Hause teilgenommen. Die heutige Predigt über „das irdische Haus, das abgebrochen wird“. Einstieg: Die Madonna von Stalingrad dann Käthe Kolwitz mit ihrer Trauer um den gefallenen Sohn. Die Bilder des Paulus: Hütte, Kleid, Wohnung, Richter. Sehr gut den Text zu Worte kommen lassen. Am Ende dann der Heilige Geist, der uns dieses Glaubens gewiß macht.
An Volkstrauertagen bin ich hier nie zur Kirche gegangen, denn am Ende verlangte die Gemeinde einen gemeinsamen Marsch zum Ehrenmal für die Gefallenen. Dort wurde eine Ansprache des Pfarrers erwartet mit anschließendem Gesang des „Ich hatte einen Kameraden“. Als wenn der 1. Weltkrieg soeben erst zu Ende gegangen sei und es ein 3.Reich nie gegeben habe.

21 - 11 - 96

Der Schmelzprozeß kirchlicher Gläubigkeit geht weiter. Heute morgen hörte ich im Deutschlandfunk ein Gespräch mit einem Vertreter der Geschäftswelt. Es ging um Weihnachtskrippen in Schaufenstern. Diesmal ist als Attraktion ausgedacht, das festliche Familienglück den weihnachtlichen Käufern einzuprägen. Im Zusammenhang damit wurde dann auch darüber berichtet, dass sich immer mehr Menschen von den kirchlichen Kasualien befreien und nach Pfarren suchen, die diese kirchlichen Handlungen nach Wunsch und Willen ihrer Kunden gestalten.
Wenn mir heute die Frage nach meinem Glauben gestellt wird, frage ich meistens zurück, was denn „glauben“ sei? Ich könnte noch den ganzen Katechismus hersagen, dazu viele Lieder, Psalmen und Bibelstellen mehr als die meisten anderen Menschen. Ob das denn nicht genüge? Ich ginge zur Kirche, sänge mit und bete mit und wenn es einer verlange, ginge ich mit zum Abendmahl. Aber sie beharren darauf, dass ich mich mit den Inhalten identifizieren soll. Wie kann ich das, ohne den Boden unter meinen Füßen zu verlassen, ohne mein Wissen um das menschliche Gewordensein des von mir Geforderten Glaubens? Es geht letzten Endes also darum, dass ich mich zu dem Glauben bekennen soll, wie einer, der vor Gericht steht und nach der Wahrheit befragt wird, mit dem Unterschied, dass der Fragende die Wahrheit zu kennen vermeint und diese seine Wahrheit von mir wissen will? - Ja, was will er denn von mir wissen?
 

09 - 12 - 96

 Ob das Gelernte auch „mein einziger Trost im Leben und im Sterben“ sei? -.Wonach fragt er eigentlich? „Wie es da drinnen aussieht, geht niemand was an !“ Genau das aber will der Fragende wissen, was ihn garnichts angeht. Meine Selbstbestimmung, die höchste und alles entscheidende Zentrale in mir, ohne die sich kein Finger regt und keine Augenbraue zuckt, die ihre Aufgabe erst nicht mehr erfüllt, wenn ich tot bin. Sie ist aber ansprechbar als Hüterin meines Lebens. vorübergehend einem anderen Herren über sich zu dulden, sei es unter dem Druck von Gewalt, sei es großer Versprechungen wegen. Darf sie vorübergehend heucheln? Oder verliert sie dabei ihre Würde - vollends, wenn andere Menschen dadurch in Mitleidenschaft gezogen sind? Verlangt die Selbstbestimmung das Martyrium? Jesus? Schneider?
 

10 - 12 - 96

 Die Selbstmordkomandos der radikalen Islamisten? Auch das unterliegt alleine der Entscheidung der Selbstbestimmung. Sie ist aber in der Regel auf’s Höchste auf das Wohlergehen und den Erhalt des Lebens bedacht. Was könnte sie umstimmen? Die Ausweglosigkeit bei Jochen Klepper. Der Glaube an ein neues Leben im Jenseits bei den Selbstmordkomandos der radikalen Islamisten. Die Aufmerksamkeit der Welt zu gewinnen bei den Hungerstreikenden und den sich selbst Verbrennden. Ist es die letzte Möglichkeit Herr seiner selbst zu bleiben?
 

11 - 12 - 96

Bedeutet dann aber selbstbestimmt eine andere Herrschaft duldend, sich selbst aufgeben? Durchaus nicht. Ein Bach gibt sich auch nicht selbst auf, wenn sein Lauf auf einen Felsen stößt. Nun ist ein Mensch kein Bach. Jochen Klepper stieß auf eine Gebirgswand. Ich nicht. 1933 begann ich mein Studium an der Theol. Schule in Bethel. Mir fehlte das Hebraicum. Dort begann der Einfliß des neuen Regimes mit der Einführung des Wehrsports. Kurze Hose weißes Hemd die Kleidung. Dann die ersten S.A.u. S.S. Uniformen unter den Studenten. Ich kroch unter beim „Stahlhelm“, der Jugendorganisation der Deutsch Nationalen. Gebrauchtes „Feldgraues“ war unsere Uniform. Aber wir waren nicht entkommen, sonder wurden der S.A. eingegliedert. So trug auch ich die braune Uniform. Die Studenten- Heime wurden zu Kameradschaftshäusern. Allmorgentlich musste die gesamte Studentenschaft vor dem Remter antreten und dem Sturmführer gemeldet werden. Dieser Studentensturm, bestehend aus zwei Zügen, war dann für die Partei Bielefelds immer schnell zur Hand bei großen Empfängen am Bahnhof. Ich habe mich dann im Laufe der folgenden Semester im Schatten des Wechsels der Universitäten davon gestohlen. 1935 hatte ich keine Verbindung mehr mit der Partei und blieb ungeschoren. War das geheuchelt? Als Arbeitsdienstler war ich sogar, meines guten Spatengriffs wegen, ...     
     

20 - 12 - 96

... in Nürnberg auf dem Parteitag.
Auch als Soldat - 1940 bis 1945 - habe ich meine Männchen gemacht. Aber ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich als Pfarrer im Zivilberuf - Obergefreiter einer Beobachtungsabteilung - mitgeschleift werden musste im braunen und im grauen Heer. Die Zeugen Jehovas weigerten sich eine Uniform an zu ziehen und wurden erschossen. Dazu sah ich mich nicht genötigt, solange man mich im Wissen um meine Heuchelei ertrug.
In den vergangenen Tagen habe ich mein Manuskript gleich drei Mal an den Hessischen Rundfunk zur Weitergabe geschickt. Zunächst an Peter Scholl Latour Er hatte an einer Gesprächsrunde teilgenommen, die sich mit dem Islam befaßte und in der Scholl Latour aus eigener gründlicher Kenntnis der Verharmlosung des Fundamentalismus widersprach. Die zweite Sendung ging an den Moderator Schmid Degenhart , der die Sendung „Gott und die Welt“ moderiert. Die dritte sollte dem Stadtgespräch dienen, in dem der Präses der Hessen-nassauischen Kirche und der Bischof Dyba der versammelten Zuhörerschar Rede und Antwort stehen sollten. Dyba in der ihm eigenen selbstsicheren Art wiederholte penetrant die Überlegenheit seiner Kirche. Auf die Frage, ob denn nicht die Gefahr bestünde, dass die Kirche hier in Europa in die Isolierung geriete, antwortete er mit dem Hinweis, dass die kath. Kirche auf der ganzen Erde ständig im Wachsen sei wegen der vielen Taufverlangen, denen sie gar nicht nachkommen könne. Der Evangelische war blaß.
„Bruder Dyba“ war immer wieder zu hören. Aus der Zuhörerschar kam außer einem Votum nichts Neues. Dieser eine sagte ganz offen, dass er ohne die Kirche seinen Weg im Leben suche. Sonst ging es um die Modethemen: Zölibat, Mischehe, Geschiedene und Homosexuelle. Von meiner Hilfestellung zu einem Gespräch über die Grundlagen unseres Glaubens kam es überhaupt nicht. Hüben und drüben sind sie sich ihrer Sache so sicher, dass sie zur Freude der Menschheit da seien. Mach Freude! Trotz Waldsterben, trotz Vergiftung der Atemluft, trotz sterbender Landwirtschaft, trotz strebender Arbeitsplätze, trotz sterbender Moral, trotz allgemeiner Depression. Scheinfreude, Scheinfriedfertigkeit, Scheinheiligkeit, Scheinglück.   .Das Kirchensiegel von Borkum hat die Inschrift “Mediis in undis tranquillus“ = „Mitten in den Wellen ruhig.“ Mitten im Untergang Freude. Igitt, perverser geht’s nicht.
 

21 - 12 - 96

Ich frage mich: Was treibt uns Menschen zu solchen Lügen? Ich hörte dieser Tage einen Werbefachmann über Weihnachten und die weihnachtliche Werbung sagen: Die „verstaubte Weihnachtsbotschaft“ sei immer noch gut genug, diesem Familienfest und seinem Geschenkfetischismus der Gesllschaft zu gehobener Stimmung zu verhelfen. Sind wir im Laufe der Jahrtausende unserer religiösen Prägung aus natürlichen Menschen zu sogen. Christen geworden? Den „alten Adam“ in uns zum Tode verurteilt , nun immer noch natürlich, nicht mehr natürlich sein zu können? Die Irrlehre, dass der Mensch böse sei von Jugend an ...
 

29 - 12 - 96

... hat sich wie eine Schnee- und Frostschicht auf die Menschheit gelegt und frostig gemacht. Wissen wir noch,was echtes Menschsein ist? An einem dieser Tage hörte ich im Rundfunk , dass Goethe sich geäußert habe, er würde gerne noch einmal auf einer Insel zur Welt kommen, um das Menschsein in seiner unnbearbeiteten Natürlichkeit zu erleben.
Eben findet im Fernsehen der Gottesdienst zum Tod der Menschen statt, die mit dem Selbstmord einer unglücklichen Frau im Gottesdienst auch noch andere in den Tod gezogen hat. Mir ist ganz elend zu Mute, wenn ich zuhören muss , dass diese Masse Mensch, die dort in der kath. Kirche versammelt war, in diese Atmosphäre eines traurigen Gottesdienstes gebracht auch noch in dem Glauben bestärkt wurde, dass einmal alle Tränen abgewischt würden und die Heimat der Seele dort oben in der Höhe sei. Auch die Pröbstin, die die kluge Predigt hielt, klammerte sich an die „Hoffnung“. Dies Wort fehlt in keiner Predigt mehr. Blochs „Prinzip Hoffnung“ hat Schule gemacht.
 

 07 - 01 - 97

Ich höre täglich die allabendliche Sendung des Deutschlandfunks “Kultur heute“. Theater, Tanz, Oper, Schauspiel, an allem wird manipuliert und experimentiert, mal moralisierend, mal einfach irritierend und verfremdend. Die Sprache der kritischen Berichterstatter sind Blumensträuße exotischer Pflanzen mit denen sie sich gegenseitig übertreffen wollen. Aber selbst ein humanistisch gebildeter Mensch kann nur erahnen, was ihm da mitgeteilt werden soll.
 

11 -01 - 97

Die Frage Johannes des Täufers an den Jesus v.N. stellt sich heute nach Prof. Ebeling in Zürich so: „Entweder zerstört der hist.Jesus die Christologie, oder er ist mit ihr identisch. Tertium non datur“ Das ist an allen theologischen Fakultäten bekannt und so auch allen Studierenden. Gerade dies Wissen aber spaltet Professoren, Studenten und Pfarrer in zwei Lager. In das Lager derer, die in ihrer Selbstbestimmung „intellektuell redlich“ sein und sich lieber an den Jesus aus Fleisch und Blut halten möchten. Und in das andere Lager derer, die in ihrer Selbstbestimmung an dem Jesus Christus des N.T.s festhalten wollen. Dies Auseinanderdriften der Meinungen ist ursächlich biblisch. Schon Petrus? aber auch Paulus können als gläubige Juden für „Gesetz und Propheten“ nur den totenJesus gebrauchen, denn nur er entspricht der Erwartung des Messias. Der lebende Jesus mussetwas von einer väterlichen Liebe Gottes verstanden haben, die beglückend war, die aber auch das Ende des Gottesstaates, von Gesetz und Propheten, von Tempel und Opfer , von rein und unrein, von gerecht und ungerecht.bedeutete. Das würde seine Verurteilung durch den Hohen Rat als gerechtfertigt erklären.
Das N. T. berichtet ganz offen von diesem schroffen Gegensatz Jesu zur Volksfrömmigkeit. Es erzählt auch die Irritationen, die Jesus damit bei seiner Familie, seinen Jüngern und der Bevölkerung ausgelöst hat. Ja es verschweigt auch nicht die Besonderheit seiner Botschaft von der Vaterliebe Gottes, die mit allen Menschen ausnahmslos vorlieb nimmt und uns damit einläd, es ihr gleich zu tun. Aber da stockt die Bereitschaft mit zu gehen, obwohl dieser Jesus selber den Weg zu Ende ging und möglicherweise ...

12 - 01 - 97

... allen Ernstes seine Jünger aufgefordert hat wie er, ihrer Selbstbestimmung zur Liebe bis zur letzten Konsequenz treu zu bleiben. Ich habe in meiner Tätigkeit als Pfarrer bei diesen heiklen Aussagen des Jesus der Bergpredigt gerne davon gesprochen: ...

14 - 1 - 97

... Er stoppe damit die Bosheit, indem er nicht mit Bosheit reagiere.Es läge nämlich in der Absicht der Bosheit, beim Gegner Bosheit zu wecken. Gelänge es nicht, sei ihr der Wind aus den Segeln genommen. Heute hat man auch ohne diesen Jesus begriffen, dass man etwaige Spannungen, die sich anbahnen, im Vorfeld durch „Vertrauen erweckende Maßnahmen“ entspannen kann. Die OSZE hat diesen Weg längst beschritten. Wie überhaupt in den rechtstaatlichen Demokratieen schon vieles von dem, was dieser Jesus angedacht hat verwirklicht ist.

15 - 01 - 97

Heute Nacht ist mir klar geworden, dass der Monotheismus eine Quelle, wenn nicht gar die Quelle aller Diktaturen ist. Gesetzgeber, Richter und Henker in eins hinter der Maske eines liebenden Vaters und außerhalb unseres Zugriffs. Die Diktatur als Segen? Das Gesetz als Segen? Das Einverständnis aller als Segen! Es ist der Wunsch des Menschen.

04 -02 - 97

Die neuen Erkenntnisse habe ich in das "Plädoyer" übernommen.
Die Jünger Jesu waren nach der Kreuzigung nicht nur enttäuscht, sie fühlten sich von ihm regelrecht blamiert und zum Narren gehalten
Sie haßten ihn und sich selber abgrundtief. Er war auch bei den Jüngern der „Allerverachtetste“. Damit war das Stichwort gefallen, das ihnen die Augen öffnete für Jes.53. Jetzt war er der Messias. Aller Zorn verrauchte und sie machten weiter; denn nun hatten sie recht behalten, JHWJ hatte im Verborgenen seinen Sohn in die Welt gesandt und damit die Mächtigen hinters Licht geführt. Er war und blieb Herr der Situation. Ganz so wie es die Erzähler dann auch weitersagen.
Das ist nun noch eingearbeitet worden. Ich lebe fast nur noch im Umgang mit dem Weltgeschehen weil es offensichtlich in engster Beziehung steht zu dem, was ich als einen „3000 jährigen Irrtum“ bezeichne. Der Papst küßt die Erde, wenn er auf seinen Reisen das Flugzeug verlässt und fremden Boden betritt. Gut so! Aber weiß er, was er tut?

11 - 02 - 97

 Es ging mir in den letzten Tagen um das Verständnis von Dostojewskys „Die Sanfte“. Wie die Begnadete an der Begnadigung zu Grunde geht und der Pfandnehmer erst merkt, dass die Sanfte Liebe wollte, als es zu spät war. Seit Jahren gehört zu unseren Bildbänden auch eine gedruckte Fassung des Films: „Der rote Ballon“. Er hat seiner Zeit großes Aufsehen gemacht. Über allen Kinos, in denen er zu Aufführung kam schwebte an seidenem Faden ein roter Ballon in der Luft. Dargestellt wird in ihm wie einem Kinde seine Freude, der rote Ballon, streitig gemacht wird von der Gesellschaft, in Gestalt öffentlicher Verkehrsmittel, der Schule, des Elternhauses, der Kirche und des Mobs der Straße. Am Ende wird der Ballon von feindlichen Kinderfüßen zertreten. So weit ist er realistisch. Der Schluß ist Traum. Aus allen Pariser Häusern kommen Ballons aller Farben und spielen sich dem Buben, dem seine Freude zertreten wurde, mit ihren Bändeln in die Hände bis sie ihn tragen und mit ihm davon fliegen können. Auch hier wird die ganze Kinderfeindlichkeit unserer Gesellschaft offengelegt. Die tiefere Ursache ist aber noch lange nicht begriffen. Zu sehr ist uns die biblische Vermischung von Liebe und Herrschaft zur Regel bei dem Umgang mit unseren Kindern geworden. Man hat noch nicht begriffen, dass jede Anwendung von Zwang vom Kinde als Feindschaft gedeutet werden muss . Die gute Absicht, die meist dahinter steht, versteht das Kind nicht, noch nicht und auf das Verstehen zu warten und nach Wegen zu suchen, das Verstehen zu ermöglichen, ist Zeit raubend und heutzutage unmenschlich, weil uns das genuin Menschliche verloren ging.Eben erst wurde im Deutschlandfunk ein Bericht gegeben über die neue Front des Nord-Süd- Konflikts in Gestalt des Europa anbrandenden nordafrikanischen Islams. Große amerikanische Flotten liegen im Mittelmeer ständig in Bereitschaft. Wenn das doch nun alles ein Irrtum ist? Wenn die Bibel nachweislich Herrschaft als Liebe verkauft und damit Feindschaft und Haß in die Menschheit gebracht hat und noch bringt? Ein einziger Satz könnte die Menscheit von dieser Pest befreien: Der Herr-Gott der Bibel ist ein Hirngespinst der Menschen und nicht der Vater-Gott Jesu.

17 - 07 - 97

Ich muss wieder einmal Bilanz ziehen über das, was mir in den letzten Tagen durch den Kopf ging. Ich fragte nach den Grundaussagen der jahwistischen Schöpfungsgeschichte. Zwei Warnungen höre ich heraus. Die erste, aus der Geschichte von Adam und Eva: Hütet euch vor dem Willen zur Macht! Die zweite aus der Geschichte von Kain und Abel: Hütet euch vor einem Feindbild! Das sind die Grundwarnungen für die menschliche Lebensgestaltung. So gut wie die bisherige Erziehung bibelabhängiger Religionen mit „Zuckerbrot und Peitsche“ ihre Menschheit erzogen und davon abhängig gemacht hat, so gut könnte auch diese Einsicht des Jahwisten zur Willensbildung des Menschen gedient haben: Verfemte Gewalt und verfluchtes Feindbild. Hat es aber nicht. Was nun? Zu spät?
Paulus mit seinem „ohne des Gesetzes Werk“ hat schon, von Jesus dazu angeregt, versucht der Monotheokratie zu entkommen und Luther nach ihm. Aber beide verfielen dem Irrtum, dass „Vertrauen“ nur eine andere, eine verbindlichere Form von Gehorsam ist. Der Vatergott Jesu wurde so zu einem Patriarchen und zum Vorbild der Erziehung bis heute. Aber der Vatergott Jesu ist kein Patriarch, sondern bedingungslos Leben schenkende Ursache.

11 - 08 - 97

 Der Konfessionalismus meiner Zeit ist offensichtlich eine Gegenbewegung gegen die Aufklärung, ausgelöst durch das Ende des ersten Weltkrieges. Der Kaiser dankte ab und der Protestantismus hatte sein Rückgrad verloren. In einer Demokratie leben zu müssen, ohne den Rückhalt des Staates, war so neu und unerwartet, dass die evg. Kirche in ihrer Ratlosigkeit sich nun auch demokratisch formieren zu müssen meinte. Sie suchte nach Parteien in ihren Reihen und fand sie in Form der „Positiven“, wir würden heute sagen „Evangelikalen“ einerseits und in Form der „Liberalen“, des von der Aufklärung erfaßten Teiles der Kirche andererseits. Mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten gesellten sich als dritte kirchliche Partei die „Deutschen Christen“ hinzu. Letztere eroberten dann auch in den Kirchengemeinderäten fast überall die Mehrheit. Ihr Glaube verstieg sich bis zu Äußerungen, in denen Hitler als neue Inkarnation Gottes behauptet wurde. Das Kriegsende 1918 fand aber keine einheitliche evangelische Kirche in Deutschland vor. Es waren Landeskirchen, überwiegend lutherischer Prägung. Preußen machte die Ausnahme, da seine Könige schon früh darauf bedacht gewesen waren, die unter ihrem Dach vorhandenen evg. Konfessionen mit einander zu versöhnen in Gestalt der „Altpreußischen Union“, der nun größten Landeskirche in Deutschland.
In ihr bildete sich zuerst und am nachhaltigsten der Aufstand gegen die „Deutschen Christen“ im Namen des „einen Wortes Gottes“, die „Bekennende Kirche“. Das war die Wiedergeburt eines neuen Dogmatismus, der im Kriegsende sich bestätigt sah und keinen Widerspruch fand. Erst ganz allmählich meldete sich die Emanzipation wieder zu Wort.

14 - 09 - 97

Dieser Tage fand ich die Metapher für meine Arbeit an dem hist.Jesus. Ich erkannte, dass ich mit einer Veröffentlichung in ein Wespennest stochern würde und in die Nähe der Situation Jesu kommen müßte. Aber das Bild von einem Wespennest lässtmich nun vorsichtiger zu Werke gehen. Ich bin sogar ein wenig froh, bisher kaum Aufsehen geweckt zu haben. Im Grunde verstehen sich alle aus der Bibel hervorgegangenen Denominationen als „Gottesstaaten“. Unter dem Ansturm des Islam auf die Weltherrschaft wird schier vergessen, dass auch der Katholizismus in die gleiche Richtung tendiert und nicht minder die griechisch orthodoxe Kirche und der Protestantismus. Ihre Instrumente sind einmal die Mission Andersdenkender und zum anderen die ständige Indoktrination ihrer Mitglieder mit den jeweiligen Glaubensbesonderheiten, beginnend bei den Kindern und fortgesetzt im Gottesdienst der Erwachsenen.

10 - 10 - 97

Wir Menschen sind dabei unser Dasein mehr und mehr global zu sehen. Wir werden dahin kommen uns als eine Familie zu verstehen. Und zwar als die Familie dieses Jesus von Nazareth, die den „Willen seines Vatergottes tut“. D.h. ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild. So wie unser gegenwärtige, biblische Erziehung ohne Skrupel menschenfeindlich ist, wenn sie die Selbstbestimmung eines Kindes durch Zuckerbrot oder Peitsche zu zerstören für gut hält. Die Natur des Menschen haßt nichts mehr als den Versuch, ihre Selbstbestimmung zu manipulieren. Damit erfährt ein Kind zuerst, was Feindschaft ist. Es ist Feindschaft, ein Kind gefügig zu machen. So lernt ein Kind in unserer Gesellschaft Feindschaft von frühster Jugend an und unter christlichem Vorzeichen. Es wird zur Feindschaft erzogen. Das ist weder natürlich noch heilsam, wie die Geschichte beweist. Ebenso könnte die Erziehung unserer Kinder durch „vertrauenbildende Maßnahmen“
ganz andere Erfolge haben.

29 - 11 - 97

Ich habe mich fast schon damit abgefunden, dass meine Erkenntnisse auf taube Ohren stoßen, auf diese kirchlicherseits errichtete Mauer: extra ecclesiam nulla salus. Damit hat sie sich selber resistent gemacht gegen alle Einreden von außen. Das einzige Instrument, das diese Mauer bricht, ist Aufklärung. Die Aufklärung hat schon einmal diese Mauer erschüttert. Zur Zeit der franz. Revolution und danach waren wir schon viel weiter. Man denke nur an Goethe, Keller und die liberale protestantische Theologie mit ihrer kritischen Lektüre der biblischen Texte. Der Rückschlag kam nach dem ersten Weltkrieg. Mit dem Abdanken des Kaisers 1918 verlor die evangelische Kirche in Deutschland ihren heimlichen Papst. Ihre Verlegenheit war grenzenlos. Seit der Reformation bestand das „Landesherrliche Kirchenregiment“. Deutsch sein, war nahezu identisch mit evangelisch sein. Nun war sie gezwungen auch demokratisch zu werden, wie die Weimarer Republik. Gab es in ihr so etwas wie Parteien? Die „Positiven“ und die „Liberalen“, die „Evangelikalen“ und die „Namenschristen“ heute. ( Für die letzteren finde ich kein besseres Wort). Dann kamen schon bald als dritte kirchliche Partei dazu die „Deutschen Christen“. Sie versuchten Hitlers Nationalsozialismus und seine Ideologie von Rasse, Blut und Boden mit dem Christentum und seiner Dogmatik zur vermengen. Dichter wie Walter Flex und Rudolf Herzog hatten schon im 1. Weltkrieg Deutschland als „erwähltes“ Land gefeiert. Aber der Nationalsozialismus hat sich nie damit identifiziert, sondern die Kirchen als Gegner angesehen. Gegen diese „Deutschen Christen“, die übrigens, ganz wie die Partei im Volk, nach kurzer Zeit schon auch in der Kirche die Massen für sich gewann, entstand dann die Bewegung der „Bekennenden Kirche“. Aus meiner heutigen Sicht, als einer der Ihren kann ich nicht umhin, sie als den Pendelschlag ins dogmatisch Fundamentalistische zu sehen. Wie sie alle verwandt sind! Die drei Religionen biblischen Ursprungs und die neuzeitlichen Ideologien im „Willen zur Macht“. Die drei Religionen als Lehrmeister in der Beherrschung von Massen. „Von der Wiege bis zur Bahre“ nicht aus den Händen lassen, tagaus tagein den Willen der Menschen durch unermüdliche Schulung zugunsten einer Ideologie verkümmern machen, sodass der Mensch schließlich die Manipulation nicht mehr wahrnimmt.

01 - 12 - 97

Ich erinnere mich an ein Wort eines Freundes. Manfred Koschorke war zu Kriegsbeginn Studentenpfarrer in Königsberg und ich als Soldat in der Grundausbildung für die Front in Ponarth, einem Stadtteil von Königsberg. Manfred gehörte auch zur B.K. Er war alles andere als Nazi. Aber er bewunderte an Hitler wie er die Massen zu beherrschen verstand.
Wir merkten damals gar nicht, dass es nur den Religionen biblischen Ursprungs abgelesen und nachgemacht war. Immer wieder und überall die Massen mit ihrem Leben in die Ideologie bannen! So kam es mit dem „Heil Hitler“ als allgemeinem Gruß zu täglichen, ja stündlichen Erinnerungen. Das emanzipierende Denken der Menschen durfte nicht zu Atem kommen. Das gefiel nicht nur der Überzahl normaler Bürger, sondern auch der der Intelligenz. Ist der Mensch geneigt seine Selbstbestimmung zu verkaufen? Dostojewski meint: „ Dem törichten Herzen ist die Freiheit kein Gewinn“.

02 - 11 - 97

Allmählich fange auch ich an, mich in diese selbstzerstörerische Leidenschaft der Menschheit zu fügen. Zur Zeit findet eine große Umweltkonferenz in Japan statt. Es kommt zum Streit zwischen Europa einerseits und den U.S.A. und Kanada andererseits. Letztere wollen der Luftverschmutzung in ihren Ländern längst nicht so viel Gewicht beilegen, wie die Europäer. Aus klimatischen Gründen sind sie weniger betroffen. Eine Einschränkung des Ausstoßes würde die Industrie treffen, die Produkte verteuern und so die Menschen in den U.S.A. im globalen Konkurrenzkampf benachteiligen. Das ist Krieg mit anderen Mitteln. Nur zu, sage ich jetzt. So wie viele Menschen zu Lebzeiten ihre Augen vor den Gefahren des Lebens und letztlich auch vor dem Tod verschließen, genau so verhält sich ein Teil der Menschheit jetzt gegenüber der drohenden Zerstörung alles Lebens auf dieser Erde. Wird einiges Leben am Ende resistent sein und unter den veränderten Bedingungen weiter leben? Solche Aussichten, täglich den Menschen ins Bewußtsein gebracht, müssen schwermütig machen. Ist unsere Menschheit schwermütig? Ist das die Ursache dafür, dass die Religionen biblischen Ursprungs in Panik geraten. Sie bringen diese Misere in Zusammenhang mit der nach ihrer Meinung zunehmenden Gottlosigkeit in dieser Welt. Sie wollen diese Menschheit mit aller Gewalt wieder unter Gottes Herrschaft zurückholen, in der Hoffnung sie dadurch retten zu können. Das würde den mörderischen und selbstmörderischen Fanatismus der Fundamentalisten verständlich machen.

03 - 12 - 97

 Die „Grünen“ wollen zurück zur Natur. Der islamische Fundamentalismus will zurück zu Gott. Ich hörte eben über den Deutschlandfunk ein Gespräch mit Fachleuten über die indischen Gurus und ihre deutschen Ableger. Die Beteiligten dachten nicht von ferne daran, dass die biblischen Religionen diese Methoden seit David praktizieren. Erziehung gehört zum Einüben des Lebens. Der Lebensraum des Menschen ist dauerhaft dem Menschen zugesellt und gegenwärtig. Dem möchte Erziehung auch religiöse oder humane Lebenshilfen dauerhaft beigeben, wie Lesen, Schreiben, Rechnen so auch „Glaube, Hoffnung, Liebe“. Die Methode etwas ständig gegenwärtig zu haben ist es also gar nicht, um die es hier geht, sondern der Inhalt, der so vermittelt wird. Bei den bibl. Religionen : Die „verordnete Liebe“ der Davidzeit oder „der Mensch ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ des Jahwisten. Von denen erstere das Feld beherrscht.

04 - 12 - 97

Der Mensch „ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ handelt nach dem Motto: Wie ich mir wünsche von meinen Mitmenschen behandelt zu werden? So will ich sie behandeln.

28. 12 - 97

Ob es möglich ist Menschen „ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ zu erziehen? Es lockt mich dem einmal nachzugehen. Von der Schulpädagogik habe ich nur soviel Ahnung als mir zum Vater- und Pfarrersein nötig war. So mache ich es wie der Jahvist und lese es dem Leben ab. Aufgewachsen bin ich in der allerwelts Kindererziehung. Zu Anfang habe ich noch vom Vater, in der Volksschule und im Gymnasium Stockschläge und Ohrfeigen erhalten. Das hat sich dann allmählich gewandelt und anderen Methoden, der Jugend Herr zu werden, Raum gegeben. Heut zu Tage scheint sich in Elternhäusern und Schulen einfach ein laisser faire durchzusetzen und die Quittung dafür den Schulen und deren Zeugnissen überlassen.
Gestern sind wieder in Algerien 400 Menschen von Islamisten grausam ermordet worden und die algerische Polizei hat nicht eingegriffen, obwohl sie in der Nähe war. Soll das heißen, dass es den herrschenden französischen Algeriern im Grunde willkommen ist, wenn sich die arabisch stämmigen und in der Überzahl befindlichen Einwohner des Landes selber umbringen? Ich kann mit niemandem darüber reden. Meine eigenen Leute verschließen davor Herz und Sinn. Sie wollen nichts davon hören und im Fernsehen nichts davon sehen. Während ich täglich die Nachrichten im Deutschlandfunk höre und so den Anschluß behalte an die Ereignisse des Vortages, die Länder und ihre Probleme kenne und so „global“ informiert bin, bin ich es der den Frieden stört, wenn ich mit meinen lieben Nächsten darüber reden möchte. Allmählich wird mir dies Tagebuch zum einzigen Gesprächspartner.

10 - 01 - 98

Der Entdeckung der Macht, mit Geschrei Menschen herbei zu rufen und sich gefügig zu machen, gehört zu den ersten Erfahrungen eines Säuglings. Auch Feindschaft begegnet ihm in diesem Zusammenhang und zwar immer dann, wenn seinem Geschrei nicht nachgekommen wird. Unter der Voraussetzung, dass „der Mensch böse sei von Jugend an“, hat biblische Erziehung den Willen des Menschen, seine Selbstbestimmung, brechen zu müssen geglaubt und in Gehorsams- und Glaubensmustern förmlich programmiert und so unter seine Herrschaft gebracht, dass er gar nicht mehr die Fesseln merkt, die ihm angelegt sind.

16 - 01 - 98

Letztlich fand sich in der Sendung „Die Fliege“ ein namhafter schweizer Dompteur. Ich fand mich von ihm bestätigt, insofern, als ich schon in Leverkusen in meinen Predigten hier und da den Eltern nahe gelegt hatte, sich vorzustellen, ihre Kinder seien junge Löwen und Tiger, die später einmal ihre Krallen in ihre Herzen schlagen könnten. Mir war schon damals bewußt, dass in der Erziehung der Kinder mit höchster Sorgfalt vorgegangen werden müßte. In der christlichen Erziehung wird die Selbstbestimmung des Menschen zerstört und der Wille zur Macht anerzogen und Feindbilder werden erzeugt. Beides wird durch das Verhalten der Eltern im Kinde geweckt, indem sie selber dem Kind gegenüber Macht anwenden und sich selber dem Kind gegenüber als Feind darstellen. Der gute Dompteur tritt seinen Tieren nicht gegenüber, um sie zu beherrschen, sondern um mit ihnen spielend vertraut zu werden und den Tieren Vergnügen an ihren Darbietungen zu machen. Der Schweizer erzählte, dass eine Löwin kurz vor der Geburt ihrer Jungen sehr unruhig geworden sei und erst als man ihn gerufen habe und er sich zu ihr gesetzt, ihre drei Jungen zur Welt gebracht habe. Danach habe sie sie ihm in den Schoß gelegt.

28 - 01 - 98

Der Papst hat wieder einmal eingegriffen und den deutschen Bischöfen nahegelegt, bei der Schwangerschaftsberatung die Bescheinigungen darüber, dass eine Beratung stattgefunden hat, zu verweigern. Die Bischöfe haben sich dem gebeugt und werden ab Jahresende keine Bescheinigungen mehr ausstellen. So hat der Bischof von Fulda, Dyba, es schon seit der neuen Gesetzgebung gehandhabt. (Will er der nächste Papst werden?) Hier zeigt sich wieder ganz deutlich, dass hinter der Maske menschenfreundlicher, göttlicher Autorität brutalste menschliche Herrschaft ausgeübt wird, denn über die Kinder führt der Weg zur Weltherrschaft. Sie werden von den Religionen biblischen Ursprungs vom ersten Atemzug an in das Gatter der jeweiligen Religion genommen und in ihre Denkweise auf Schritt und Tritt programmiert. So haben es die Juden , die Christen und die Moslems schon weit gebracht. Sie teilen unter sich die größten Machtbereiche dieser Erde. Die Juden mit ihrem Einfluß über die U.S.A. zur Zeit der Weltpolizist Nr.1; die Christen als kath. Christen unter dem Papst, die orthodoxen unter dem Patriarchen von Konstantinopel, die Moslems unter dem Koran und seiner Hüter. Nur den Protestanten scheint nicht bewußt, dass es auch Machtstreben ist, über den Kinderreichtum ohne Blutvergießen das Übergewicht in der Welt zu gewinnen.
Diese Zusammenhänge werden gerade in diesen Tagen für den Eingeweihten deutlich
Bill Clinton steht mit dem Rücken an der Wand. Er wird verdächtigt, sexuelle Beziehungen zu Frauen im Weißen Haus gehabt zu haben. Er ist Demokrat und behandelt Netanjahu, den israelitischen Ministerpräsidenten, wegen seiner Konfrontationspolitik gegenüber den Palästinensern kühl, geradezu abweisend. Das kränkt natürlich die Konservativen, in deren Reihen die stärksten und einflußreichsten Freunde des radikalen Vorgehens gegen die Palästinenser sitzen, diejenigen die heute lieber als morgen Jerusalem den Palästinensern aus den Händen gerungen wüßten und jeden Frieden mit ihnen ablehnen, solange das „heilige Land“ nicht wieder in den legitimen Händen derer liegt, die sich als von Gott dafür bestimmt ansehen. Clinton, der lieber an dem Frieden der beiden Kontrahenten arbeitet, mussverschwinden. Ist dazu jedes Mittel recht? Israel ist unmerklich über die U.S.A. zur Weltmacht geworden. Oder besser noch. Die Feinde Israels haben es in der langen Geschichte dieser Feindschaft dahin gebracht, dass es jetzt die Entscheidung über Krieg und Frieden in der Welt in der Hand hat. Nach allem, was ihm angetan wurde, darf keiner mit ihm ins Gericht gehen, wenn es auch selber in die Versuchung gerät, nahe dem Ziel, hier und da mit nicht ganz sauberen Mitteln meint, nachhelfen zu müssen.

06 - 02 - 98

Im Deutschlandfunk kam das Verhältnis von Religion und Reklame zur Sprache. Anlaß war eine von der kath. Kirche beanstandete Reklame der Volkswagen Werke in Frankreich. Das Plakat hatte den neuen Golf in Zusammenhang mit dem Abendmahl gebracht. Der ins Gespräch gebrachte Jesuitenpater sah durchaus das Parallele zwischen Religion und Reklame und befürwortete darum natürlich illustrere Gottesdienste. Die eigentliche Macht von Religion und Reklame kam gar nicht in Sicht: Ihre ständige Gegenwart im Leben der Menschen. Das hat die Reklame bei den biblischen Religionen gelernt. Zum Glück bedient sich die Reklame dieser Methode in einem Maße, dass es für den vernünftigen Menschen schon widerlich ist. Wir wählen, wenn irgend möglich, keinen Sender mehr, der sein Abendprogramm mit Reklame unterbricht. Wir fühlen uns manipuliert und erkennen die ganze Verächtlichkeit mit der hier der Mensch, dem das Denken lästig ist, mit „Zuckerbrot und Peitsche“ in seiner Selbstbestimmung verschaukelt wird.
Was ich bei meiner Arbeit heimlich gedacht, aber nicht niederzuschreiben gewagt habe, spricht Hölderlin ganz ungeniert aus: dass die Beschränktheit der Gottesmänner „Christum ärger töten als die Juden, weil sie sein Wort zum Buchstaben, und ihn, den Lebendigen zum leeren Götzenbild machen ... Es musste alles so kommen, wie es jetzt überhaupt, und in der Religion besonders ist, und es war mit der Religion fast so wie jetzt, da Christus in der Welt auftrat“.
Ich unterscheide mich von ihm nur darin, dass ich das im Blick auf den hist. Jesus feststellen muss : Die Kreuzigung hat nie aufgehört. Mit seiner Botschaft des Verzichtes auf den Willen zur Macht und auf Feindbilder war und ist er der Gekreuzigte geblieben. Unser ganzes Wirtschaftssystem, die Hochhäuser der Banken sähen sich in Frage gestellt, die U.S.A. als Weltpolizist und die, die es auch sein möchten und nicht zuletzt die Kirchen als Institutionen....

08 - 02 -98

... Ich muss hinzufügen: Als Institutionen, die im Grunde Staaten im Staate sind, mit eigener Gesetzgebung mit eigenen Steuern, eigenen Schulen und eigenen Rathäusern. Gottesstaaten in den weltlichen Staaten und darum im ständigen Konflikt mit ihnen. Die Fortsetzung des Streites zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter: Der Konflikt um die Kruzifixe im den Schulen, § 218 bis zum Erbrechen. Da zeigt sich der Machtwille, im Gewande der Menschenfreundlichkeit.

19 - 02  bis 11 - 03 - 1998  siehe separaten Text:  Bemerkungen zu Kafkas "Schloss" aus religionsgeschichtlicher Sicht

02 - 03 - 1998

Gestern war die Landtagswahl in Niedersachsen. Die S.P.D. streckt sich begehrlich nach der Macht. In bin schon über 25 Jahre Parteimitglied. Nach dem Kriege hielt ich es für notwendig diese demokratische Partei von dem Geruch des Atheismus zu befreien und zugleich die Nähe der Kirche zu den Arbeitern zu betonen. Ganz im Sinne der Kirchlichen Bruderschaft dieser Jahre. Aus ihr sind ja auch Heinemann, Simon und Rau hervorgegangen. Es war also eine Frucht der Bekennenden Kirche im 3. Reich. Ich wüßte nicht, warum ich mich heute anders orientieren sollte. Das „Christliche“ war mir suspekt. Heute weiß ich, dass dieser Widerwille sich gegen das Instituionelle der Kirche richtet. Angefangen hat dieser Widerwille mit dem Aufkommen des Gedankens vom Gottesstaat in Israel unter David. Da verlor die Menschheit ihr gesundes Verhältnis zu ihrem Lebensraum. Die gekünstelte Sicht der Dinge, von einem die Welt regierenden transzendenten Gott, machte die Menschheit auf die Dauer schizophren. Der gesunde Menschenverstand geriet unter die Herrschaft einer Dogmatik.

03 - 03 - 98  Kafka

Die Vorgänge im „Herrenhaus“, K.s Eindringen in den Gang mit den vielen Zimmern der Sekrtäre vollzieht sich im N.T. Die Sekretäre in ihren Zimmern sind die Verfasser der einzelnen Bücher des N.T
„Friedrich“, im Unterschied zu „Frieda“, hier erstmalig und einmalig genannt, ist für Kafka so etwas wie der Schloßherr; denn so Bürgel: „ich bin die stärkste Verbindung“ - „ich bilde die Verbindung zwischen seinen Dorf- und Schloßsekretären“. Ist Bürgel für den Verfasser der „ Jesus Christus“, der bisher ja noch nicht in Erscheinung getreten ist, wenn Klamm das trinitarische Dogma verkörpert? „Ein Sekretär, nackt, sehr ähnlich der Statue eines griechischen Gottes“. „Trotzdem streifte ihn beim Anblick der entblösten Brust Bürgels vom Traum her der Gedanke: „Hier hast du ja deinen griechischen Gott“(Platonismus des Paulus).
K.s unfreiwilliger Aufenthalt im Gang der neutstamentlichen Bücher macht ihn zum kritischen Beobachter der Vorgänge, die sich da in einer verwirrenden und jeder Ordnung entbehrenden Weise abspielen. Gemeint ist wohl die unermeßliche theologische Arbeit im Für und Wider der Exegese neutestamentlicher Bücher bei den Theologieprofessoren und Pfarren, vorwiegend in nächtlichen Stunden erbracht. Was hat er, K dazu suchen, wo die Laien ausquartiert sind und kritische Beobachter schon garnicht erwünscht. Darum schrillen am Ende die Alarmglocken und Wirt und Wirtin erscheinen, um K.aus dem Gang des strikten Unkontrolliertseins heraus zu holen.

23 - 03 - 98

Gestern abend haben wir wieder eine Szene aus der Serie „Ekel Alfred“ gesehen, eine Wiederholung im brandenburgischen Fernsehkanal. Was beeindruckt mich an dieser vulgären Darstellung eines deutschen Familienlebens? Diese völlige Verschlossenheit der Ehefrau gegenüber der Politik. Sie verwechselt Kiesinger mit Kissinger, weiß nicht die Reihenfolge der Bundeskanzler und lässt auch sonst erkennen, wie sie das Weltgeschehen mit den Augen einer Kuh betrachtet. Nein, verallgemeinern möchte ich das nicht. Aber mir bangt, dass im Topf unseres Volkes tatsächlich eine Menge dieser dummen Arroganz tagaus tagein kocht. Seitdem ich den Durchblick habe durch die Zusammenhänge unserer Gegenwart mit einer langen, sehr langen Vergangenheit und ich weiß, dass unser Heute vor 3000 Jahren begann, entdecke ich immer mehr die Verwandtschaft der Diktaturen, vom Gottesstaat Davids bis zu den Kirchenstaaten unserer Zeit und den Diktaturen Hitlers und des Proletariates. Auch David hat sicher ein Vorbild gehabt. Er wird nicht der Erste gewesen sein, der die Faszination des Gedankens entdeckt hat, wie wunderbar alles geordnet sein könnte, wenn das Leben der Menschen von einem Zentrum aus und auf ein Zentrum hin ausgerichtet wäre. Aber die frühisraelitischen Denker haben dem schon einen Riegel vorschieben zu müssen gemeint, mit der Geschichte vom Turmbau zu Babel. Und stehen denn nicht auch die Orthodoxie und die Orthographie im Lager der Diktaturen, die Gut und Böse, Richtig und Falsch, Freund und Feind einheitlich markieren zu müssen meinen? Solche Diktaturen wechseln von Zeit zu Zeit ihre Namen, um neu glaubhaft zu sein. Zur Zeit diktiert die öffentliche Meinung bei uns in Deutschland das Schlagwort vom Industriestandort Deutschland der erhalten bleiben und dem darum Opfer gebracht werden müsse. Auch das Reden von den verlorengegangenen Werten, die wieder zu ihrem Rechte kommen sollten, ist nichts anderes als das Zurückpfeifen der Menschen in diese Diktatur eines Gottesstaates und seiner Gesetze. Überall wird die Selbstbestimmung des Menschen manipuliert. Dass Liebe sorgfältigster, behutsamster und zeitraubendster Umgang mit der Selbstbestimmung der Mitmenschen ist, ist nur noch bei sehr nachdenklichen und feinfühligen Menschen bewußt. Das Manipulieren dieser Selbstbestimmung beherrscht das Feld und diktiert den Umgang mit Menschen in Elternhaus und Schule, in den Kirchen und den Rathäusern, in den Fabriken und Parlamenten. Es geschieht mittels Androhungen einerseits und großen Versprechungen andererseits. So heißt es zur Zeit im Wahljahr 1998: Wehe euch Bürgern, wenn Rot-Grün die Bundestagswahl gewinnt, dann zahlt ihr für den Liter Benzin in 10 Jahren DM 5,- und die Autoindustrie mit ihren vielen Arbeitsplätzen schrumpft zum Gotterbarmen.
Die Gegenseite droht: Bleibt Kohl Bundeskanzler, dann wird aus der sozialen Marktwirtschaft eine reine Marktwirtschaft und die Umverteilung des Geldes erfolgt von unten nach oben. Was der Eine dem Anderen ankreidet, versprechen sie ihrerseits ihren Wählern, zu verhindern. Das ist doch reine Verdummung. Jeder noch denkende Mensch, der nüchtern die Zeit begleitet, erkennt, dass die rigorose Beseitigung von Arbeitsplätzen durch die Automatisierung der großen Industrien und Landwirtschaftsbetriebe mit ihren Exporterfolgen zugleich die Arbeitslosigkeit importiert. Man ist dabei an den kindischen Glauben des Papstes erinnert, der trotz der Übervölkerung auf dieser Erde im Namen Gottes eine Geburtenregelung untersagt.
Denken die Großkopferten in der Welt ähnlich: Die Produktion muss mithalten, um diesen Markt zu bedienen. Es war immer so, dass der Markt ...

24 - 03 - 98

... die Produktion bestimmte. Aber nun wird auch der Markt manipuliert, indem nicht mehr nur das Notwendige im ursprünglichen Sinne des Wortes, eines Vorgangs der eine Not wendete, produziert wird, sondern auch das Verlangen nach Herrschaft, die andere für sich arbeiten lässt , befriedigt wird: Die Sehnsucht nach Arbeitslosigkeit durch die Maschine. Hier fehlt uns Menschen ein Regulativ, das uns selbstbestimmt Einhalt gebietet, wo der Fortschritt in eine Sackgasse führt. Ich sehe es hier auf dem Lande, wo sie noch alle ihre größeren und kleineren Trecker haben und dies und jenes Äckerchen, mit denen sie vergnügt noch ein wenig Landwirtschaft betreiben. Sie war ja nie leichter und bequemer als heute. Aber als es am schönsten war, war es auch zu Ende. Wie vergnügt sitzen sie, Junge und Alte im Führerhaus ihre Bulldoggs und treten aufs Gaspedal! Ob Mist ob Jauche, Dünger oder Beize hinter ihnen im Anhänger folgt, sie brauchen nur einen Hebel zu betätigen, oder einen Baudenzug zu ziehen und schon betätigt sich hinter ihrem Rücken ohne ihr Zutun eine Arbeit, die noch vor hundert Jahren menschliche Kräfte erforderlich machten. Ist die Vollendung wirklich der Moment vor der Verzweiflung? Ist das der Fluch des Fortschritts? Oder der Fluch unsres maßlosen Willens zur Macht? Ist es der gleiche Vorgang, der sich bei Drogenabhängigen vollzieht? Diese Sucht nach immer mehr Bequemlichkeit. Wie die Kinder, deren Freude an einem neuen Spielzeug im Nu erlischt, sobald sie ein anderes sehen. Wie der Schmetterling, der von Blume zu Blume fliegt? Nein! Der vollbringt zugleich eine notwendige Arbeit. Der Tageswert meines Lebens wird erst sichtbar, wenn ich ihn vergleiche mit den Zeiten, in denen es noch keine Wasserleitung, kein elektrisches Licht, keine Ölheizung, kein Telephon, kein Radio und kein Fernsehen gab. Ich bin abhängig geworden von ihnen. Würden sie mir heute genommen, dann würden deutliche Entzugserscheinungen die Folge sein. Könnten wir uns selber nicht Einhalt gebieten und sagen: Wir pausieren einmal, um zu Atem zu kommen und das Erreichte genüßlich zu stabilisieren? Was zwingt uns denn unser Leben zu einem permanenten Konkurrenzkampf verkommen zu lassen? Die Anderen? Aber diese Anderen sehen sich von uns dazu gezwungen. Was hindert uns Deutsche aus dieser Spirale des Immermehr, Immerschneller, Immerhöher, Immerweiter und Immerlänger auszusteigen? Immer die Anderen, die uns davonlaufen könnten und uns hilflos im Straßengraben liegen ließen?

25 - 03 - 98

Der gigantische Wille des Lichtes ist zugleich auch der gigantische Wille zum Leben. Die Frage, ob wir unser Leben „verdient“ haben oder nicht, stellt sich gar nicht. Wir haben es als Geschenk der Sonne, ohne eine andere Gebrauchsanweisung als der unausgesprochenen, einladenden Anfrage nach unserem Mitmachen bei diesem sieghaften Eindringen und Vordringen dessen, was mit dem Licht als Leben. in dies Andere ungreifbare und unbekannte als Nichts oder Dunkel oder auch als Tod bezeichnete.
Wir sind in großen Teilen unserer Bevölkerung noch im Banne des einen Buches, einem das die Reformation der Allgemeinheit lesbar und hernach zum Buch aller Bücher gemacht hat. Es zu kennen und im Kopf zu haben, war und ist Wissen genug. Und nun der Schrei nach besseren Schulen. Die Schulabgänger könnten oft nicht lesen, schreiben und rechnen und die, die ein Studium an der Hochschule anstrebten, brächten das nötige Vorwissen auch nicht mit. Die kirchliche Zurückhaltung allem profanen Wissen gegenüber steckt uns noch in den Knochen. Da wird uns mit dem Radio und dem Fernsehen die Aufklärung frei Haus geliefert und mit dem Computer alles vorhandene Wissen sofort greifbar gemacht. Das Buch der Bücher verstaubt in den Kommoden. Und die Explosion des Wissens verschreckt ihre Schüler.
Mir drängt sich die Frage auf nach der geistigen Fähigkeit der Gesellschaft, in der ich lebe. Der einzelne Mensch bemerkt nachdenklich Veränderungen in seinem Leben, die an Grenzen führen und vermag dann die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen, die eine Katastrophe verhindern. Die Gesellschaft vermag das offenbar nicht. Sie hat keinen kollektiven Verstand und keine Instanz, die sie warnend und ratend vor der Katastrophe bewahrt. Immer mehr verlagert sich die letztinstanzliche Rechtsprechung auf unser Verfassungsgericht. Im Wirtschaftlichen haben wir den „Rat der Weisen“. Die OSZE versucht in Europa den Frieden zu retten. Ich mag es fast nicht niederschreiben, weil lebensgefährlich: Der Gedanke, auf Erden müsse einer so stark sein, dass er alle anderen zum Frieden zu zwingen in der Lage sei, ist für die Menschheit tödlich. Diesem Gedanken verdankt auch der eine Gott der Bibel seine Existenz. Verordneter Frieden ist dasselbe Gift wie verordnete Liebe. Die entscheidende Instanz in der Menschheit ist des Menschen Selbstbestimmung. Sie ist käuflich mit Zuckerbrot oder Peitsche. In sofern wird sie in der Regel zur Hure gemacht und zerstört. Sie verschenkt sich am liebsten dem, der keine Besitzansprüche stellt und ist dann aber treu.

11 - 04 - 98

Ich beobachte schon seit Jahren, dass es viele Menschen gibt, die kein Unterscheidungsvermögen für Lüge und Wahrheit haben. So erfahre ich in meiner nächsten Umgebung, dass über andere Menschen abfällig geurteilt wird oder über zeitgleiche Ereignisse vernichtend gesprochen wird. Zur Rede gestellt, dass es sich dabei um offensichtlich böswillige Verdächtigungen handele, erfahre ich als Antwort erstaunte Gesichter und ärgerlichen Widerspruch. Man habe doch gar nichts Böses gesagt. Offensichtlich ist da die Kontrolle über die eigene Sprache verlorengegangen. Das ist keine Einzelerscheinung, sondern gang und gäbe. Selten ist das andere der Fall, dass man spürt, wie ein Mensch sehr sorgfältig und sehr verliebt bei der Wahrheit bleibt und lieber schweigt, wenn die Wahrheit verletzend ist.

12 - 04 - 98 Ostersonntag

Nun frage ich ja immer wieder nach den Ursachen und suche sie in der Erziehung und diese wiederum beruht bei uns auf einer christlichen Schulung mit den vielen Du -sollst. Darunter findet sich auch das Gebot, das die Lüge untersagt. Verordnete Wahrheit also! Hier haben wir den Fall, dass die Selbstbestimmung des Menschen einer verordneten Wahrheit nicht notwendig gehorcht, weil sie nicht Bestandteil der Selbstbestimmung ist und durch die Erziehung auch nicht dazu gemacht wurde. Die Eltern haben es mit der Wahrheit dem Kinde gegenüber nicht so genau genommen, selber gelogen und das Kind nicht mit der nötigen Sorgfalt und Liebe mit der Währung des Vertrauens für das Zusammenleben der Menschen bekannt gemacht. Mir ist eingefallen, dass wir für das, was ich mit „Selbstbestimmung“ bezeichne, annähernd auch davon reden, dass einem Menschen etwas in „Fleisch und Blut gegangen ist“ oder auch „unter die Haut“. Z.B. : Wenn ich einen Raum verlasse, vergesse ich nie, das Licht auszuschalten, weil die Mahnung, Energie zu sparen, mein Innerstes erreicht hat und sich sofort zu Wort meldet , wenn es darum geht. Ähnlich ergeht es mir beim Öffnen eines Wasserhahnes. Ich habe mir offenbar die Argumente der Ökologie „zu Herzen genommen“ - noch so eine Redensart, die den Vorgang der Selbstbestimmung umschreibt.
Was hindert es, dass religiöse Argumente wie z.B. die 5 Gebote der 2.Tafel des Dekalogs „in Fleisch und Blut“ gehen oder auch der „Glaube an Gott“? Nur das „Du-sollst“? Verordneter Glaube? Verordneter Verzicht auf das Töten? Verordnete Wahrhaftigkeit? Verordneter Verzicht auf das Eigentum anderer? Verordnete Treue? Verordneter Verzicht auf Neid? In der Tat , dieser Herrschaftsanspruch scheint den religiösen Forderungen im Wege zu stehen, das Herz eines Menschen zu gewinnen. Das haben offenbar sogar die Juden entdeckt, die heut zu Tage lieber von „Weisungen“ reden als von Gesetzen. Dabei scheinen sie nicht wahrzunehmen, dass solche Linderung wenig hilft, solange noch der „Herrgott“ diese Weisungen erteilt. Es ist also eine innere, natürliche Abneigung des Menschen gegen solche mit ihm nicht abgestimmte Verordnungen.

17 - 04 - 98

„Fremdbestimmung“ das ist das Gegenüber zur „Selbstbestimmung“. Gestern wurde mir der Begriff gelegentlich einer Besprechung im Radio geliefert. Es passt zu der Behauptung, das Wort „Liebe“ sei trotz seiner umfangreichen Verwendung ein „Fremdwort“ und wenn wir in diesem Zusammenhang auf das „Hohe Lied der Liebe“ des Paulus verwiesen, so sei auch hier wieder nur mit einer Fremdsprache geredet. Wir haben keine Definition für dieses Wort, weil es in der Bibel zur Gnade verfälscht ist und in den drei Religionen biblischen Ursprungs unter dem
Mäntelchen der „Liebe“ , der „Wille zur Macht“ und „Feindbilder“ genüßlich ihr Unwesen treiben. In Wahrheit ist Liebe der Verzicht auf jede Manipulation eines Mitmenschen, sei es durch Drohung oder Versprechungen oder auch durch Anerziehung einer Weltanschauung durch einen Totalitätsanspruch auf das ganze Leben. Liebe bedient sich alleine der Warnung und des guten Rates und der Geduld. Sie kennt ihre Grenze und wird keinen Schritt über diese Grenze hinaus tun.

18 - 04 - 98

Ich habe eben versucht an dieser Stelle 1.Kor. 13 mir Vers für Vers vorzunehmen, um meine Definition von Liebe mit der paulinischen ins Gespräch zu bringen. Es erwies sich als völlig unmöglich, sodass ich alles löschen musste. Paulus versteht unter der Liebe Gottes die Gnade des stellvertretenden Sterbens Jesu für die zu tiefst und absolut gottlose Menschheit. Im Grunde ist auch 1.Kor.13 eine einzige Huldigung. Das merkt man schon an der dichterischen Gestalt und besonders an den vielen auf die äußerste Spitze getriebenen Übertreibungen vom ersten bis zum letzten Wort. 1.Kor 13 ist ein Psalm. Wie Psalm 1 eine Huldigung Gottes über die Huldigung des Gesetzes ist, ist das Paulus- Gedicht eine Huldigung Gottes über die Liebe. Es ist keine human-ethische Deutung des Begriffs.
W.P., mein erster Kollege im Amt, hat mir zum meiner Einführung als Pfarrer in Leverkusen 1948 ein Luther-Zitat, von Künstlerhand geschrieben, geschenkt. Es lautet: „Wenn du ein Gnadenprediger bist, predige keine erdichtete, sondern eine wahre Gnade. Wenn es eine wahre Gnade ist, dann darfst du keine erdichtete Sünde bringen. Gott macht keine erdichteten Sünder selig. Sei ein Sünder und sündige tapfer, aber noch tapferer glaube und freue dich in Christo, dem Sieger über Sünde, Tod und Welt. Wir müssen sündigen , solange wir hier sind, das Leben ist kein Haus der Gerechtigkeit. Es genügt, dass wir das Lamm erkennen, das der Welt Sünde trägt, von dem reißt uns keine Sünde, auch wenn wir tausendmal tausendmal hurten und mordeten. Meinst du, so klein sei der Preis und das Lösegeld für unsere Sünden, in einem solchen und so großem Lamm bezahlt? Bete tapfer, denn du bist ein tapferer Sünder. Am Tag des Apostels Petrus 1521".
Auch Luther bringt hier wie Paulus im Grunde eine Huldigung an die Gnade Gottes.
Typisch diese Übersteigerung bis zum nonsens: denn die Gnade gestattet alle Sünde. Warum dann diese totale Verunglimpfung des Menschen in der Schöpfungsgeschichte, wenn derselbe Gott diesen Menschen am Ende ebenso total begnadigt?
Damit wird deutlich worauf das Ganze abzielt. Es geht um die Gnade nicht um Liebe, um die Abhängigkeit des Menschen von Gott und in deren Folgen.Gestern wurde mir bewußt, wie sich die Spur von den Schöpfungsgeschichten zu diesem Jesus verbreitert. Ich war nahe daran meine Überschrift: „Jesus von Nazareth, der Mensch ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ um die Worte zu ergänzen : „gegen die Diktatur des Priestertums“. David baut den Tempel in Jerusalem und die ersten Priester werden benötigt. Priester sind es offenbar, die den Teil des Pentateuch geschrieben haben, der als „Priesterschrift“ von den Forschern als eine der drei Erzählweisen erkannt ist, aus denen er besteht. Priester verurteilen Jesus. Der Bischof von Rom wird erster christlicher Priester. In Byzanz ist es der Patriarch der griechisch-orthodoxen Kirche und in Teheran sind es die Mulahs. In Irland auf evangelisch-englischer Seite dieser hartköpfige evangelische Pastor, dessen Namen ich nicht zur Hand habe. Auf kath. Seite wird sich auch im Hintergrund der I.R.A. die Kirche als Motor des Terrors finden. Die ganze Kirchengeschichte ist ein einziger Machtkampf. Sie ist die Schule in der die Diktatoren und Gurus unserer Zeit ihr Handwerk gelernt haben. Das Rezept lautet: Zunächst muss man den Willen zur Macht haben und Härte zeigen. Dann eine Heilsbotschaft , die der Menge das Wasser im Munde zusammen laufen lässt . Dann eine besondere Weltanschauung und Denkweise mit einem Feindbild. Dann die ständige Schulung darin. Man nennt das „Dienst“.

23 - 04 - 98

Dann ein ständig gleichbleibender Gruß: „Grüß Gott!“ oder so ähnlich mit einem Aufheben der Hand oder einer geballten Faust. Jedenfalls wird dafür gesorgt, dass die natürliche Sprache des täglichen Lebens in Gestalt der aufgehenden Sonne, von Tag und Nacht, von Regen und Wind, der Jahreszeiten, schlechthin des Lebens als natürlichem Leben, von frühster Jugend an eine Fremdsprache beigegeben und eingeprägt wird, Weltanschauung oder auch Religion genannt.

27 - 04 - 98

Ein Gespinst von Lügen und Täuschungen sehe ich über der Menschheit liegen. Goethes: „Den Teufel spürt das Völklein nie; selbst wenn er sie am Kragen hält.“
kommt mir immer wieder in den Sinn. Heute morgen hörte ich einen englischen Journalisten, der sich über Kohl ausließ. Er habe ihn nach seiner zentralen Erwartung gefragt, die er an der Einführung des Euro knüpfe. Darauf habe er geantwortet: Es ginge dabei um Krieg und Frieden in Europa. Der Journalist meinte darin kein überzeugendes Argument sehen zu können; der Dollar sei längst in Amerika eine einheitliche Währung gewesen, als der Norden gegen den Süden zu Felde zog.
Ähnlich in Jugoslawien. Auch da unter der Regierung Titos die einheitliche Währung und nun der Trümmerhaufen.
Gestern war in Sachsen-Anhalt Landtagswahl. Die bisherige Minderheitsregierung der SPD unter Duldung der PDS wurde bestätigt. Die DVU, rechtsradikal, kam auf über 10%. Das war das eigentliche Debakel. Es erinnert mich an 1933, als sich die Linken und die Rechten Wochenende für Wochenende Schlachten lieferten. Bis das nationale Herz der Deutschen sich in Hitler geborgen fühlte. Das nationale Herz der Deutschen ist nach wie vor lebendig und ist nie überzeugend beschwichtigt worden. Die heutige scheinheilige Fremdenfreundlichkeit von seiten der Regierung wird der Bevölkerung genau so übergestülpt, wie die biblische Religion Davids seit Jahrtausenden. Aber es ist die Methode des Willens zur Macht, den Menschen ihre Selbstbestimmung mit Zuckerbrot oder Peitsche abzukaufen und so sich ein Volk zu schaffen, das zwar gehorcht und glaubt, aber hinterher, wenn es wieder einmal schief gegangen ist , keine Verantwortung tragen will.

29 - 04 - 98

Wir erleben einen Umbruch des kulturellen und zivilen Lebens von epochaler Gewalt, ausgelöst durch die beiden Weltkriege. Arbeitslosigkeit ist das Trauma dieser Zeit. Ich erlebte sie als Kind in den Jahren 1920 - 1933 als Folge des 1. Weltkrieges und sie war für uns etwas Neues. Hitler beseitigte sie, indem er die Menschen in die Rüstungs- und Autoindustrie rief, dazu den Autobahnbau begann und damit das Tor zum Krieg und einem Leben mit dem Auto aufstieß.
Der Krieg endete im Untergang des deutschen Reiches. Aber das Leben mit dem Auto wuchs und wuchs und ist heute für die meisten Mitmenschen lebensnotwendig, obwohl damit ein Krieg gegen die Weltgesundheit geführt wird.
Ich las dieser Tage in einem Krimi von Donna Leon folgende Sätze eines alten italienischen Conte : „Es ficht mich an , dass diese Dinge geschehen, dass wir uns selbst und unsere Nachkommen vergiften, dass wir wissentlich unsere Zukunft zerstören, aber meiner Ansicht nach gibt es nichts - und ich wiederhole, nichts -,was wir tun können, um es zu verhindern. ...

30 - 04 - 98

...  Wir sind ein Volk von Egoisten. Es ist unsere Zierde, aber es wird unser Verderben sein, denn keiner von uns lässt sich je dazu bringen, sich mit etwas so Abstraktem wie dem „Allgemeinwohl“ zu befassen. Die Besten von uns kommen so weit, sich um das Wohl ihrer Familien zu sorgen , aber als Volk sind wir zu mehr nicht fähig“.

02 - 05 - 98

Im Zusammenhang einer Reportage aus der Siedlung Ha Omar in Jerusalem sagte eine junge Israeli klip und klar, Jerusalem und seine Umgebung sei das den Juden von Gott für alle Zeiten zum Eigentum gegebene Land. Diesen Anspruch würden sie mit Leib und Leben verteidigen und nur der könne in Israel wohnen und leben, der dies anzuerkennen bereit sei. Deutlicher kann der religiöse Untergrund dieser Katastrophe nicht zum Ausdruck gebracht werden. Wir haben es mit Gott, mit dem Gott Davids zu tun. Er ist der „Brandstifter“ , nicht nur in Israel sondern überall da, wo Menschen sich mit oder ohne Berufung auf ihn einem unerbittlichen und unbelehrbaren Nationalismus verschrieben haben. Ob Fundamentalismus, ob Orthodoxie, ob Puritanismus, ob Zelotentum und die Strenge Bindung an die Bibel der Evangelikalen, sie sind zum Zündeln bereit „um Gottes Willen“ sagen sie. Aber der Herr „Biedermann“ kann es nicht für möglich halten und verharmlost sich und der Welt das, was sich bereits in zahlreichen Bränden anbahnt.

04 - 05 - 98

Ich muss hinzufügen, dass Hitlers Diktatur und die Diktatur des Proletariats ihre Methode der Massenbeeinflussung von den drei Religionen biblischen Ursprungs fleißig abgeguckt haben: Hart an die Zügel nehmen und keinen Augenblick mehr locker lassen „von der Wiege bis zur Bahre“! Total in Anspruch nehmen. Ob „Theologische Existenz“, ob nationlistische oder kommunistische Existenz. Sie zersetzen die natürliche menschliche Existenz. Wir sind nun einmal total von der Sonne und von ihren uns gewährten Lebensmitteln abhängig. Dabei verstehe ich Lebensmittel im umfassendsten Sinne: Die Erde mit ihrer Anziehungskraft und ihrer Atmosphäre, ihrer Fruchtbarkeit und ihren Bodenschätzen, ihrem Wassergehalt und ihren das Leben ermöglichenden Temperaturen.

05 - 05 - 98

Heute denke ich mit Unbehagen daran, dass auch meine „theologische Existenz“ in den ersten Nachkriegsjahren brutal war. Am 1. Dezember 1945 kam ich als Pfarrverweser eines im Krieg vermißten Pfarrers nach Leverkusen. Dort hatten deutsch-christliche Pfarrer das Sagen gehabt, d.h. sie predigten die neutestamentliche Botschaft ohne alle jüdischen Elemente unter Einbeziehung der Grundwerte des Nationalsozialismus, von Rasse, Blut und Boden der Arier. In einem Extremfall wurde in Berlin bei einer Großveranstaltung sogar gesagt: Mit Hitler sei ein neuer Christus in die Welt gekommen. Dagegen hatte sich die Bewegung der „Bekennenden Kirche“ formiert. Ich gehörte von Anfang an (1933) dazu.
Nach dem Zusammenbruch des Nazi- Regimes wechselte auch die Kirchenleitung in der Rheinischen Kirche, die in die völlige Abhängigkeit von ihm geraten war, in die Hände bewährter Männer der Bekennenden Kirche. Der gleich Vorgang vollzog sich nun in den von deutsch-christlichen Pfarrern beherrschten Gemeinden. So auch in Leverkusen. Von Köln kam ein junger BK ler und übernahm mit Hilfe eines neukonstituierten Presbyteriums die Leitung der Gemeinde. Ein DC- ler war noch im Amt, als ich dazu kam. Wir wollten ihn dulden, wenn er vor der Gemeinde seinen Irrtum eingestanden hätte. Ich selber habe die Formulierung dieses Beschlusses für das Protokoll verfaßt. Aber er fand sich dazu nicht bereit, weil er offenbar sich keiner Schuld bewußt war und meinte, in seiner pietistischen Predigtweise vor wie während und nach dem Nationalsozialismus, an ihr nichts geändert zu haben. Er wurde von der Kirchenleitung seines Amtes enthoben, durfte aber weiter in der evangelistischen Arbeit der Landeskirche noch eine Zeit lang tätig sein, bis er dann am Zungenkrebs starb. Ich war noch an seinem Sterbebett. Heute ist mir bewußt, dass das, was damals geschah - im Glauben mit bestem Gewissen geschah - nichts anderes als Siegermentalität und darum brutal war. Im Glauben brutal!
Ich frage mich, warum gerade der Glaube brutal macht? Ist es dies, dass ihm die Rückendeckung des Wissens fehlt und er meint, sie durch Prinzipientreue ersetzen zu müssen?
Im Laufe des Tages hörte ich im Deutschlandfunk eine Gespräch zweier Theologen , eines kath. und eines ev., über die gemeinsame Erklärung der beiden Kirchen über die Rechtfertigungslehre. Luth. Theologen hatten sich dagegen ausgesprochen und drohten nun, die mühsam gewonnene Gemeinsamkeit zu zerstören. Kein Wunder angesichts des Irrgartens biblischer Theologie insbesondere der Rechtfertigunglehre. Theodize heißt sie wohl im lat. Sprachgebrauch. (Davon kommt der Name der Deutschen her.) Wenn der Zug einmal aufs falsche Geleise geraten ist, dann hilft nur eine reumütige Rückkehr bis zur Weiche, an der der Fehler geschah.
Auf dem falschen Gleise wird alles Gerede zum Lamento. Ich denke dabei an meine theologische Literatur, in der nur ganz wenig von dem zu erfahren ist, das mich zum hist. Jesus und zum Urverständnis der Schöpfungsgeschichten zurückgeführt hat. Ich musste mich bis zu meiner Studie „Jesu Schatz im Acker: Die biblischen Schöpfungsgeschichten“ ohne Hilfe durcharbeiten.

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