Otto WilhelmyTagebuch 1b vom 6.11.96 - 5.5.98 |
06 - 11 - 96Die Masse Mensch, was ist das überhaupt? Ich höre noch Manfred Koschorke in Königsberg sagen: Er finde, es sei erstaunlich, wie Hitler die Massen in der Hand habe. Dabei war er selber alles andere als ein Natzi. Es ist sicher die Faszination, die die Massen anzieht. Also eine einfache Idee, die uns Menschen einleuchtet und wünschenswert erschscheint. z.B.: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ oder auch ein „Gottesstaat“, was gleichbedeutend mit „Königsherrschaft Gottes“ ist. Ist das Fasziniernde diese Konzentration der Masse Mensch , die auch schon beim Turmbau zu Babel eine Rolle spielte? Man will beisammenbleiben und sucht nach etwas Verbindendem. Das Nationale ist bei uns in Verruf geraten. Die neue Faszination soll nun ausgehen von dem Begriff „Industriestandort Deutschland“. Das Vereinigte Europa, anfänglich auch als Faszination gedacht, hat seine Faszination im Laufe der Vorbereitung verloren. Der Papst, die Königin Elisabeth, die Königshäuser in Europa vermögen immer noch die Herzen ihrer Anhänger zu erwärmen. Aber immer mehr nur als Symbole, nicht als echte lebensnotwendige Machtfaktoren. Was will ich eigentlich mit diesem Suchen? Ich will wissen, warum wir Menschen scheinbar zwingend nach Bindungen an einen Mittelpunkt suchen. Die erste Zelle der Menschheit ist die Familie, dann der Stamm, ihm folgt das Volk und schließlich die ganze Menschheit auf dieser Erde. In der ersten Zelle dominierte der Vater u.s.w. Aber dominierte der Vater wirklich? War er doch, so sagen wenigstens die frühisraelitischen Erzähler, kein Freund von Herrschaft. (Jetzt bin ich auf der richtigen Spur. Der Wunsch nach diesem Beisammenbleiben kommt aus der Frühzeit der Menschheit).07 - 11 - 96Uns fällt es schwer, eine andere als die uns gewohnte Form des Zusammenlebens für möglich zu halten. Unser Zusammenleben ist geprägt von der Bibel. Solange es im Guten geht, gibts keine Probleme. Aber dann, wenn es nicht nach unserem Willen geht oder nach Gesetz und Ordnung, dann hat „unsere Geduld schnell ein Ende“ und wir versuchen die Eigenwilligkeit, mit der wir es da zu tun haben, dem jeweiligen Kind oder Erwachsenen abzukaufen. Anders geht es nämlich nicht, will man nicht Gewalt anwenden. Der Kaufpreis ist entweder das Angebot der Straffreiheit oder das Versprechen einer Belohnung. In dieser Form des Zusammenlebens sind wir aufgewachsen in Familie und Gesellschaft. Die Eigenwilligkeit als Bosheit bewertend wurde unterdrückt, anstatt sie behutsam zur Willensbildung zu gebrauchen.08 - 11 - 96In unserem Leben dominiert das „Du sollst“. Warum nicht ein „ Ich will“? Ich will Kinder oder ich will keine Kinder. Ich will zur Schule und ich will in ihr lernen. Ich will eine Demokratie und ich will die Teilung der drei Gewalten. Ich will lieben. Ich will meinem Mitmenschen ein Segen sein.09 - 11 - 96Ich weiß, was lieben heißt. Ich will meine „Sonne scheinen lassen über Gute und Böse und meinen Regen fallen lassen auf Gerechte und Ungerechte“. Wie soll das denn zugehen? Du hast doch eben erst gehört, dass die Terroristen auf Korsika finanziert werden von Baulöwen, die die schönsten Strände der Insel mit ihren Hotels zubauen und den Widerstand der Bevölkerung oder der örtlichen Behörden durch den Terror brechen wollen. Immer wieder fällt mein Blick auf die Banken, die diese noblen Verbrecher finanzieren, die dann ihrerseits wieder das Gesindel bezahlen, das für Geld zu erpressen bereit ist. Wir haben die Gewaltenteilung in unserem Staat. Wir brauchten sie auch im Umgang mit dem Gelde. Ich träume. Lässt sich am Zustand unserer Gesellschaft noch etwas grundlegend ändern? Trotz Kirche und Christentum sind wir so korrupt geworden. War es einmal anders? War das keine Schutzgelderpressung, als die Adeligen den Bauern in ihrem Bezirk Schutz verhießen, wenn sie ihr Land als Lehen von ihnen nahmen?Und hielten die Bauern sich dann nicht ein wenig schadlos, wenn sie die zehnte Garbe, die sie dem Lehnsherrn schuldeten dünner banden als die eigenen? Ein Pfarrer in Röddenau, dessen Vorgänger den großen Besitz an kirchlichen Ländereien schlampig verwaltet hatten, versuchte um 1800 mit Rechtsmitteln den abhanden gekommenen Besitz der Kirche wieder herein zu holen. Das gab Ärger mit den Bauern. Der Pfarrer revanchierte sich in seiner Chronik der Gemeinde mit der Bemerkung: „Alle Bauern sind von Natur aus Betrüger.“ Ich denke an Steuerhinterziehung heute. Alle Menschen von Natur aus Betrüger? Nein , das laß ich nicht gelten. Es gibt solche, die wollen nicht betrügen. Auf's Wollen kommt's an. Zum „Wollen des Guten“ sind wir aber durch unsere Erziehung nicht geprägt, weil das Sache eines Heiligen Geistes sein soll. 10 - 11 - 96Es ist Sonntag. Zwei Gottesdienste habe ich gehört. Den einen in unserer Dorfkirche und den anderen im Radio. Der gleiche Text. Thessa.l: Vom kommenden Endgericht und uns als den Kindern des Lichtes. Was ist geblieben? Bei unserem Dorfpfarrer: Eine Kinderschar mit ihren Laternen im Dunkel der Nacht auf dem Wege, auf dem ihr eine andere gleicher Art entgegenkommt und sich mit ihr vereinigt. - Vom anderen Pfarrer, einer luth. Freikirche in Verden an der Aller: Die Kinder des Lichtes tragen Brillen, mit denen sie die Zukunft klarer sehen und darum leichter dies Leben meistern.Dieses wenig Befriedigende geht zu Lasten meines Gedächtnisses. Aber wer bei dem Elend unserer Zeit einsetzt, kommt nie zum Übergewicht des Trostes. Das habe ich bei meiner Predigtarbeit gelernt. Beide setzten bei den Nöten unserer Zeit ein. Aber diese Methode, vom Elend der Menschheit ausgehend, ihm den Rettungsring des Evangeliums zu zu werfen, ist alt. Sie galt schon in meiner Studentenzeit. Die moralische Auswertung von Texten war die andere Methode. So predigte z.B. Prof. Fetzer in Tübingen den Einzug Jesu in Jerusalem unter dem „Skopus“: Seid demütig wie Jesus auch war. Das war „gesetzlich“ für die Ohren von Studenten der Bek. Kirche, bei denen nicht „Gesetz“ sondern „Evangelium“ verkündigt werden sollte. Ach wie liegt das weit zurück. 11 - 11 - 96Ich las gestern bei Goethe in seinen „Guten Weibern“: „Warum denn immer bös oder gut! Müssen wir nicht mit uns selbst, so wie mit anderen vorlieb nehmen, wie die Natur uns hat hervorbringen mögen und wie sich jeder allenfalls durch eine mögliche Bildung besser zieht?“ Ich denke: Das ist die Sicht Jesu. Auch hier ist sie nicht der Bibel, sondern dem Leben abgelesen.15 - 11 - 96Im Hinblick auf unsere gegenwärtige Situation könnte man tatsächlich von einem „Jammertal“ reden. Jugoslawien, Palästina, Algerien, Korsika, Saire u.u.u. In Prag wurden gänzlich überhöhte Ozonwerte gemessen. Genmanipuliertes Sojamehl ist längst, in Narungsmitteln versteckt, im Gebrauch. Wer macht die Landwirte so skrupellos, dass sie ohne Rücksicht auf Mensch und Tier ihre Produkte produzieren? Wer die Fabrikanten von Waffen und Giftgas? Ich weiß jetzt, dass diese Skrupellosigkeit anerzogen ist. Der Wille zum Guten ist bei den biblischen Religionen verkümmert. Paulus hat mit dazu beigetragen, wenn er im Tone der Hilflosigkeit schreibt: „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht“. Warum denn nicht? Nur weil in deiner Bibel steht, dass „der Mensch böse sei von Jugend an“ und dein HERRgott seine Krone verliert, wenn er sich nicht mehr gnädig zu einem armen Sünder hinabneigen kann? Der Wille zum Guten, der Wille zur Liebe. Ich kann nachts schlecht schlafen. Über Jahrzehnte habe ich mich im autogenen Training geübt. Nächtelang das Programm heruntergebetet. Nie Schwere gefühlt, ein wenig Wärme und Stirnkühle. Wenn einer sich damit abgequält hat, dann ich, seit 1959. Jetzt mache ich es nur noch gelegentlich zur Abwechslung und immer noch mit der Hoffnung, einmal so recht eine Wirkung zu verspüren. Jetzt will ich schlafen.Das ist jetzt meine Litanei. Verbunden mit tiefem Atmen gelingt mir das fast immer. 17 - 11 - 96Volkstrauertag. Der Gottesdienst aus der Kreuzkirche in Bonn. Er weckte Erinnernungen an mein Bonner Semester 1935, dem letzten K. Barths. Ich habe noch an den Bibelstunden in seinem Hause teilgenommen. Die heutige Predigt über „das irdische Haus, das abgebrochen wird“. Einstieg: Die Madonna von Stalingrad dann Käthe Kolwitz mit ihrer Trauer um den gefallenen Sohn. Die Bilder des Paulus: Hütte, Kleid, Wohnung, Richter. Sehr gut den Text zu Worte kommen lassen. Am Ende dann der Heilige Geist, der uns dieses Glaubens gewiß macht.An Volkstrauertagen bin ich hier nie zur Kirche gegangen, denn am Ende verlangte die Gemeinde einen gemeinsamen Marsch zum Ehrenmal für die Gefallenen. Dort wurde eine Ansprache des Pfarrers erwartet mit anschließendem Gesang des „Ich hatte einen Kameraden“. Als wenn der 1. Weltkrieg soeben erst zu Ende gegangen sei und es ein 3.Reich nie gegeben habe. 21 - 11 - 96Der Schmelzprozeß kirchlicher Gläubigkeit geht weiter. Heute morgen hörte ich im Deutschlandfunk ein Gespräch mit einem Vertreter der Geschäftswelt. Es ging um Weihnachtskrippen in Schaufenstern. Diesmal ist als Attraktion ausgedacht, das festliche Familienglück den weihnachtlichen Käufern einzuprägen. Im Zusammenhang damit wurde dann auch darüber berichtet, dass sich immer mehr Menschen von den kirchlichen Kasualien befreien und nach Pfarren suchen, die diese kirchlichen Handlungen nach Wunsch und Willen ihrer Kunden gestalten.Wenn mir heute die Frage nach meinem Glauben gestellt wird, frage ich meistens zurück, was denn „glauben“ sei? Ich könnte noch den ganzen Katechismus hersagen, dazu viele Lieder, Psalmen und Bibelstellen mehr als die meisten anderen Menschen. Ob das denn nicht genüge? Ich ginge zur Kirche, sänge mit und bete mit und wenn es einer verlange, ginge ich mit zum Abendmahl. Aber sie beharren darauf, dass ich mich mit den Inhalten identifizieren soll. Wie kann ich das, ohne den Boden unter meinen Füßen zu verlassen, ohne mein Wissen um das menschliche Gewordensein des von mir Geforderten Glaubens? Es geht letzten Endes also darum, dass ich mich zu dem Glauben bekennen soll, wie einer, der vor Gericht steht und nach der Wahrheit befragt wird, mit dem Unterschied, dass der Fragende die Wahrheit zu kennen vermeint und diese seine Wahrheit von mir wissen will? - Ja, was will er denn von mir wissen? 09 - 12 - 96Ob das Gelernte auch „mein einziger Trost im Leben und im Sterben“ sei? -.Wonach fragt er eigentlich? „Wie es da drinnen aussieht, geht niemand was an !“ Genau das aber will der Fragende wissen, was ihn garnichts angeht. Meine Selbstbestimmung, die höchste und alles entscheidende Zentrale in mir, ohne die sich kein Finger regt und keine Augenbraue zuckt, die ihre Aufgabe erst nicht mehr erfüllt, wenn ich tot bin. Sie ist aber ansprechbar als Hüterin meines Lebens. vorübergehend einem anderen Herren über sich zu dulden, sei es unter dem Druck von Gewalt, sei es großer Versprechungen wegen. Darf sie vorübergehend heucheln? Oder verliert sie dabei ihre Würde - vollends, wenn andere Menschen dadurch in Mitleidenschaft gezogen sind? Verlangt die Selbstbestimmung das Martyrium? Jesus? Schneider?10 - 12 - 96Die Selbstmordkomandos der radikalen Islamisten? Auch das unterliegt alleine der Entscheidung der Selbstbestimmung. Sie ist aber in der Regel auf’s Höchste auf das Wohlergehen und den Erhalt des Lebens bedacht. Was könnte sie umstimmen? Die Ausweglosigkeit bei Jochen Klepper. Der Glaube an ein neues Leben im Jenseits bei den Selbstmordkomandos der radikalen Islamisten. Die Aufmerksamkeit der Welt zu gewinnen bei den Hungerstreikenden und den sich selbst Verbrennden. Ist es die letzte Möglichkeit Herr seiner selbst zu bleiben?11 - 12 - 96Bedeutet dann aber selbstbestimmt eine andere Herrschaft duldend, sich selbst aufgeben? Durchaus nicht. Ein Bach gibt sich auch nicht selbst auf, wenn sein Lauf auf einen Felsen stößt. Nun ist ein Mensch kein Bach. Jochen Klepper stieß auf eine Gebirgswand. Ich nicht. 1933 begann ich mein Studium an der Theol. Schule in Bethel. Mir fehlte das Hebraicum. Dort begann der Einfliß des neuen Regimes mit der Einführung des Wehrsports. Kurze Hose weißes Hemd die Kleidung. Dann die ersten S.A.u. S.S. Uniformen unter den Studenten. Ich kroch unter beim „Stahlhelm“, der Jugendorganisation der Deutsch Nationalen. Gebrauchtes „Feldgraues“ war unsere Uniform. Aber wir waren nicht entkommen, sonder wurden der S.A. eingegliedert. So trug auch ich die braune Uniform. Die Studenten- Heime wurden zu Kameradschaftshäusern. Allmorgentlich musste die gesamte Studentenschaft vor dem Remter antreten und dem Sturmführer gemeldet werden. Dieser Studentensturm, bestehend aus zwei Zügen, war dann für die Partei Bielefelds immer schnell zur Hand bei großen Empfängen am Bahnhof. Ich habe mich dann im Laufe der folgenden Semester im Schatten des Wechsels der Universitäten davon gestohlen. 1935 hatte ich keine Verbindung mehr mit der Partei und blieb ungeschoren. War das geheuchelt? Als Arbeitsdienstler war ich sogar, meines guten Spatengriffs wegen, ...20 - 12 - 96... in Nürnberg auf dem Parteitag.Auch als Soldat - 1940 bis 1945 - habe ich meine Männchen gemacht. Aber ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich als Pfarrer im Zivilberuf - Obergefreiter einer Beobachtungsabteilung - mitgeschleift werden musste im braunen und im grauen Heer. Die Zeugen Jehovas weigerten sich eine Uniform an zu ziehen und wurden erschossen. Dazu sah ich mich nicht genötigt, solange man mich im Wissen um meine Heuchelei ertrug. In den vergangenen Tagen habe ich mein Manuskript gleich drei Mal an den Hessischen Rundfunk zur Weitergabe geschickt. Zunächst an Peter Scholl Latour Er hatte an einer Gesprächsrunde teilgenommen, die sich mit dem Islam befaßte und in der Scholl Latour aus eigener gründlicher Kenntnis der Verharmlosung des Fundamentalismus widersprach. Die zweite Sendung ging an den Moderator Schmid Degenhart , der die Sendung „Gott und die Welt“ moderiert. Die dritte sollte dem Stadtgespräch dienen, in dem der Präses der Hessen-nassauischen Kirche und der Bischof Dyba der versammelten Zuhörerschar Rede und Antwort stehen sollten. Dyba in der ihm eigenen selbstsicheren Art wiederholte penetrant die Überlegenheit seiner Kirche. Auf die Frage, ob denn nicht die Gefahr bestünde, dass die Kirche hier in Europa in die Isolierung geriete, antwortete er mit dem Hinweis, dass die kath. Kirche auf der ganzen Erde ständig im Wachsen sei wegen der vielen Taufverlangen, denen sie gar nicht nachkommen könne. Der Evangelische war blaß. „Bruder Dyba“ war immer wieder zu hören. Aus der Zuhörerschar kam außer einem Votum nichts Neues. Dieser eine sagte ganz offen, dass er ohne die Kirche seinen Weg im Leben suche. Sonst ging es um die Modethemen: Zölibat, Mischehe, Geschiedene und Homosexuelle. Von meiner Hilfestellung zu einem Gespräch über die Grundlagen unseres Glaubens kam es überhaupt nicht. Hüben und drüben sind sie sich ihrer Sache so sicher, dass sie zur Freude der Menschheit da seien. Mach Freude! Trotz Waldsterben, trotz Vergiftung der Atemluft, trotz sterbender Landwirtschaft, trotz strebender Arbeitsplätze, trotz sterbender Moral, trotz allgemeiner Depression. Scheinfreude, Scheinfriedfertigkeit, Scheinheiligkeit, Scheinglück. .Das Kirchensiegel von Borkum hat die Inschrift “Mediis in undis tranquillus“ = „Mitten in den Wellen ruhig.“ Mitten im Untergang Freude. Igitt, perverser geht’s nicht. 21 - 12 - 96Ich frage mich: Was treibt uns Menschen zu solchen Lügen? Ich hörte dieser Tage einen Werbefachmann über Weihnachten und die weihnachtliche Werbung sagen: Die „verstaubte Weihnachtsbotschaft“ sei immer noch gut genug, diesem Familienfest und seinem Geschenkfetischismus der Gesllschaft zu gehobener Stimmung zu verhelfen. Sind wir im Laufe der Jahrtausende unserer religiösen Prägung aus natürlichen Menschen zu sogen. Christen geworden? Den „alten Adam“ in uns zum Tode verurteilt , nun immer noch natürlich, nicht mehr natürlich sein zu können? Die Irrlehre, dass der Mensch böse sei von Jugend an ...29 - 12 - 96... hat sich wie eine Schnee- und Frostschicht auf die Menschheit gelegt und frostig gemacht. Wissen wir noch,was echtes Menschsein ist? An einem dieser Tage hörte ich im Rundfunk , dass Goethe sich geäußert habe, er würde gerne noch einmal auf einer Insel zur Welt kommen, um das Menschsein in seiner unnbearbeiteten Natürlichkeit zu erleben.Eben findet im Fernsehen der Gottesdienst zum Tod der Menschen statt, die mit dem Selbstmord einer unglücklichen Frau im Gottesdienst auch noch andere in den Tod gezogen hat. Mir ist ganz elend zu Mute, wenn ich zuhören muss , dass diese Masse Mensch, die dort in der kath. Kirche versammelt war, in diese Atmosphäre eines traurigen Gottesdienstes gebracht auch noch in dem Glauben bestärkt wurde, dass einmal alle Tränen abgewischt würden und die Heimat der Seele dort oben in der Höhe sei. Auch die Pröbstin, die die kluge Predigt hielt, klammerte sich an die „Hoffnung“. Dies Wort fehlt in keiner Predigt mehr. Blochs „Prinzip Hoffnung“ hat Schule gemacht. 07 - 01 - 9711 -01 - 97Die Frage Johannes des Täufers an den Jesus v.N. stellt sich heute nach Prof. Ebeling in Zürich so: „Entweder zerstört der hist.Jesus die Christologie, oder er ist mit ihr identisch. Tertium non datur“ Das ist an allen theologischen Fakultäten bekannt und so auch allen Studierenden. Gerade dies Wissen aber spaltet Professoren, Studenten und Pfarrer in zwei Lager. In das Lager derer, die in ihrer Selbstbestimmung „intellektuell redlich“ sein und sich lieber an den Jesus aus Fleisch und Blut halten möchten. Und in das andere Lager derer, die in ihrer Selbstbestimmung an dem Jesus Christus des N.T.s festhalten wollen. Dies Auseinanderdriften der Meinungen ist ursächlich biblisch. Schon Petrus? aber auch Paulus können als gläubige Juden für „Gesetz und Propheten“ nur den totenJesus gebrauchen, denn nur er entspricht der Erwartung des Messias. Der lebende Jesus mussetwas von einer väterlichen Liebe Gottes verstanden haben, die beglückend war, die aber auch das Ende des Gottesstaates, von Gesetz und Propheten, von Tempel und Opfer , von rein und unrein, von gerecht und ungerecht.bedeutete. Das würde seine Verurteilung durch den Hohen Rat als gerechtfertigt erklären.Das N. T. berichtet ganz offen von diesem schroffen Gegensatz Jesu zur Volksfrömmigkeit. Es erzählt auch die Irritationen, die Jesus damit bei seiner Familie, seinen Jüngern und der Bevölkerung ausgelöst hat. Ja es verschweigt auch nicht die Besonderheit seiner Botschaft von der Vaterliebe Gottes, die mit allen Menschen ausnahmslos vorlieb nimmt und uns damit einläd, es ihr gleich zu tun. Aber da stockt die Bereitschaft mit zu gehen, obwohl dieser Jesus selber den Weg zu Ende ging und möglicherweise ... 12 - 01 - 97... allen Ernstes seine Jünger aufgefordert hat wie er, ihrer Selbstbestimmung zur Liebe bis zur letzten Konsequenz treu zu bleiben. Ich habe in meiner Tätigkeit als Pfarrer bei diesen heiklen Aussagen des Jesus der Bergpredigt gerne davon gesprochen: ...14 - 1 - 97... Er stoppe damit die Bosheit, indem er nicht mit Bosheit reagiere.Es läge nämlich in der Absicht der Bosheit, beim Gegner Bosheit zu wecken. Gelänge es nicht, sei ihr der Wind aus den Segeln genommen. Heute hat man auch ohne diesen Jesus begriffen, dass man etwaige Spannungen, die sich anbahnen, im Vorfeld durch „Vertrauen erweckende Maßnahmen“ entspannen kann. Die OSZE hat diesen Weg längst beschritten. Wie überhaupt in den rechtstaatlichen Demokratieen schon vieles von dem, was dieser Jesus angedacht hat verwirklicht ist.15 - 01 - 97Heute Nacht ist mir klar geworden, dass der Monotheismus eine Quelle, wenn nicht gar die Quelle aller Diktaturen ist. Gesetzgeber, Richter und Henker in eins hinter der Maske eines liebenden Vaters und außerhalb unseres Zugriffs. Die Diktatur als Segen? Das Gesetz als Segen? Das Einverständnis aller als Segen! Es ist der Wunsch des Menschen.04 -02 - 97Die neuen Erkenntnisse habe ich in das "Plädoyer" übernommen.Die Jünger Jesu waren nach der Kreuzigung nicht nur enttäuscht, sie fühlten sich von ihm regelrecht blamiert und zum Narren gehalten Sie haßten ihn und sich selber abgrundtief. Er war auch bei den Jüngern der „Allerverachtetste“. Damit war das Stichwort gefallen, das ihnen die Augen öffnete für Jes.53. Jetzt war er der Messias. Aller Zorn verrauchte und sie machten weiter; denn nun hatten sie recht behalten, JHWJ hatte im Verborgenen seinen Sohn in die Welt gesandt und damit die Mächtigen hinters Licht geführt. Er war und blieb Herr der Situation. Ganz so wie es die Erzähler dann auch weitersagen. Das ist nun noch eingearbeitet worden. Ich lebe fast nur noch im Umgang mit dem Weltgeschehen weil es offensichtlich in engster Beziehung steht zu dem, was ich als einen „3000 jährigen Irrtum“ bezeichne. Der Papst küßt die Erde, wenn er auf seinen Reisen das Flugzeug verlässt und fremden Boden betritt. Gut so! Aber weiß er, was er tut? 11 - 02 - 97Es ging mir in den letzten Tagen um das Verständnis von Dostojewskys „Die Sanfte“. Wie die Begnadete an der Begnadigung zu Grunde geht und der Pfandnehmer erst merkt, dass die Sanfte Liebe wollte, als es zu spät war. Seit Jahren gehört zu unseren Bildbänden auch eine gedruckte Fassung des Films: „Der rote Ballon“. Er hat seiner Zeit großes Aufsehen gemacht. Über allen Kinos, in denen er zu Aufführung kam schwebte an seidenem Faden ein roter Ballon in der Luft. Dargestellt wird in ihm wie einem Kinde seine Freude, der rote Ballon, streitig gemacht wird von der Gesellschaft, in Gestalt öffentlicher Verkehrsmittel, der Schule, des Elternhauses, der Kirche und des Mobs der Straße. Am Ende wird der Ballon von feindlichen Kinderfüßen zertreten. So weit ist er realistisch. Der Schluß ist Traum. Aus allen Pariser Häusern kommen Ballons aller Farben und spielen sich dem Buben, dem seine Freude zertreten wurde, mit ihren Bändeln in die Hände bis sie ihn tragen und mit ihm davon fliegen können. Auch hier wird die ganze Kinderfeindlichkeit unserer Gesellschaft offengelegt. Die tiefere Ursache ist aber noch lange nicht begriffen. Zu sehr ist uns die biblische Vermischung von Liebe und Herrschaft zur Regel bei dem Umgang mit unseren Kindern geworden. Man hat noch nicht begriffen, dass jede Anwendung von Zwang vom Kinde als Feindschaft gedeutet werden muss . Die gute Absicht, die meist dahinter steht, versteht das Kind nicht, noch nicht und auf das Verstehen zu warten und nach Wegen zu suchen, das Verstehen zu ermöglichen, ist Zeit raubend und heutzutage unmenschlich, weil uns das genuin Menschliche verloren ging.Eben erst wurde im Deutschlandfunk ein Bericht gegeben über die neue Front des Nord-Süd- Konflikts in Gestalt des Europa anbrandenden nordafrikanischen Islams. Große amerikanische Flotten liegen im Mittelmeer ständig in Bereitschaft. Wenn das doch nun alles ein Irrtum ist? Wenn die Bibel nachweislich Herrschaft als Liebe verkauft und damit Feindschaft und Haß in die Menschheit gebracht hat und noch bringt? Ein einziger Satz könnte die Menscheit von dieser Pest befreien: Der Herr-Gott der Bibel ist ein Hirngespinst der Menschen und nicht der Vater-Gott Jesu.17 - 07 - 97Ich muss wieder einmal Bilanz ziehen über das, was mir in den letzten Tagen durch den Kopf ging. Ich fragte nach den Grundaussagen der jahwistischen Schöpfungsgeschichte. Zwei Warnungen höre ich heraus. Die erste, aus der Geschichte von Adam und Eva: Hütet euch vor dem Willen zur Macht! Die zweite aus der Geschichte von Kain und Abel: Hütet euch vor einem Feindbild! Das sind die Grundwarnungen für die menschliche Lebensgestaltung. So gut wie die bisherige Erziehung bibelabhängiger Religionen mit „Zuckerbrot und Peitsche“ ihre Menschheit erzogen und davon abhängig gemacht hat, so gut könnte auch diese Einsicht des Jahwisten zur Willensbildung des Menschen gedient haben: Verfemte Gewalt und verfluchtes Feindbild. Hat es aber nicht. Was nun? Zu spät?Paulus mit seinem „ohne des Gesetzes Werk“ hat schon, von Jesus dazu angeregt, versucht der Monotheokratie zu entkommen und Luther nach ihm. Aber beide verfielen dem Irrtum, dass „Vertrauen“ nur eine andere, eine verbindlichere Form von Gehorsam ist. Der Vatergott Jesu wurde so zu einem Patriarchen und zum Vorbild der Erziehung bis heute. Aber der Vatergott Jesu ist kein Patriarch, sondern bedingungslos Leben schenkende Ursache. 11 - 08 - 97Der Konfessionalismus meiner Zeit ist offensichtlich eine Gegenbewegung gegen die Aufklärung, ausgelöst durch das Ende des ersten Weltkrieges. Der Kaiser dankte ab und der Protestantismus hatte sein Rückgrad verloren. In einer Demokratie leben zu müssen, ohne den Rückhalt des Staates, war so neu und unerwartet, dass die evg. Kirche in ihrer Ratlosigkeit sich nun auch demokratisch formieren zu müssen meinte. Sie suchte nach Parteien in ihren Reihen und fand sie in Form der „Positiven“, wir würden heute sagen „Evangelikalen“ einerseits und in Form der „Liberalen“, des von der Aufklärung erfaßten Teiles der Kirche andererseits. Mit dem Aufkommen der Nationalsozialisten gesellten sich als dritte kirchliche Partei die „Deutschen Christen“ hinzu. Letztere eroberten dann auch in den Kirchengemeinderäten fast überall die Mehrheit. Ihr Glaube verstieg sich bis zu Äußerungen, in denen Hitler als neue Inkarnation Gottes behauptet wurde. Das Kriegsende 1918 fand aber keine einheitliche evangelische Kirche in Deutschland vor. Es waren Landeskirchen, überwiegend lutherischer Prägung. Preußen machte die Ausnahme, da seine Könige schon früh darauf bedacht gewesen waren, die unter ihrem Dach vorhandenen evg. Konfessionen mit einander zu versöhnen in Gestalt der „Altpreußischen Union“, der nun größten Landeskirche in Deutschland.In ihr bildete sich zuerst und am nachhaltigsten der Aufstand gegen die „Deutschen Christen“ im Namen des „einen Wortes Gottes“, die „Bekennende Kirche“. Das war die Wiedergeburt eines neuen Dogmatismus, der im Kriegsende sich bestätigt sah und keinen Widerspruch fand. Erst ganz allmählich meldete sich die Emanzipation wieder zu Wort. 14 - 09 - 97Dieser Tage fand ich die Metapher für meine Arbeit an dem hist.Jesus. Ich erkannte, dass ich mit einer Veröffentlichung in ein Wespennest stochern würde und in die Nähe der Situation Jesu kommen müßte. Aber das Bild von einem Wespennest lässtmich nun vorsichtiger zu Werke gehen. Ich bin sogar ein wenig froh, bisher kaum Aufsehen geweckt zu haben. Im Grunde verstehen sich alle aus der Bibel hervorgegangenen Denominationen als „Gottesstaaten“. Unter dem Ansturm des Islam auf die Weltherrschaft wird schier vergessen, dass auch der Katholizismus in die gleiche Richtung tendiert und nicht minder die griechisch orthodoxe Kirche und der Protestantismus. Ihre Instrumente sind einmal die Mission Andersdenkender und zum anderen die ständige Indoktrination ihrer Mitglieder mit den jeweiligen Glaubensbesonderheiten, beginnend bei den Kindern und fortgesetzt im Gottesdienst der Erwachsenen.10 - 10 - 97Wir Menschen sind dabei unser Dasein mehr und mehr global zu sehen. Wir werden dahin kommen uns als eine Familie zu verstehen. Und zwar als die Familie dieses Jesus von Nazareth, die den „Willen seines Vatergottes tut“. D.h. ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild. So wie unser gegenwärtige, biblische Erziehung ohne Skrupel menschenfeindlich ist, wenn sie die Selbstbestimmung eines Kindes durch Zuckerbrot oder Peitsche zu zerstören für gut hält. Die Natur des Menschen haßt nichts mehr als den Versuch, ihre Selbstbestimmung zu manipulieren. Damit erfährt ein Kind zuerst, was Feindschaft ist. Es ist Feindschaft, ein Kind gefügig zu machen. So lernt ein Kind in unserer Gesellschaft Feindschaft von frühster Jugend an und unter christlichem Vorzeichen. Es wird zur Feindschaft erzogen. Das ist weder natürlich noch heilsam, wie die Geschichte beweist. Ebenso könnte die Erziehung unserer Kinder durch „vertrauenbildende Maßnahmen“ganz andere Erfolge haben. 29 - 11 - 97Ich habe mich fast schon damit abgefunden, dass meine Erkenntnisse auf taube Ohren stoßen, auf diese kirchlicherseits errichtete Mauer: extra ecclesiam nulla salus. Damit hat sie sich selber resistent gemacht gegen alle Einreden von außen. Das einzige Instrument, das diese Mauer bricht, ist Aufklärung. Die Aufklärung hat schon einmal diese Mauer erschüttert. Zur Zeit der franz. Revolution und danach waren wir schon viel weiter. Man denke nur an Goethe, Keller und die liberale protestantische Theologie mit ihrer kritischen Lektüre der biblischen Texte. Der Rückschlag kam nach dem ersten Weltkrieg. Mit dem Abdanken des Kaisers 1918 verlor die evangelische Kirche in Deutschland ihren heimlichen Papst. Ihre Verlegenheit war grenzenlos. Seit der Reformation bestand das „Landesherrliche Kirchenregiment“. Deutsch sein, war nahezu identisch mit evangelisch sein. Nun war sie gezwungen auch demokratisch zu werden, wie die Weimarer Republik. Gab es in ihr so etwas wie Parteien? Die „Positiven“ und die „Liberalen“, die „Evangelikalen“ und die „Namenschristen“ heute. ( Für die letzteren finde ich kein besseres Wort). Dann kamen schon bald als dritte kirchliche Partei dazu die „Deutschen Christen“. Sie versuchten Hitlers Nationalsozialismus und seine Ideologie von Rasse, Blut und Boden mit dem Christentum und seiner Dogmatik zur vermengen. Dichter wie Walter Flex und Rudolf Herzog hatten schon im 1. Weltkrieg Deutschland als „erwähltes“ Land gefeiert. Aber der Nationalsozialismus hat sich nie damit identifiziert, sondern die Kirchen als Gegner angesehen. Gegen diese „Deutschen Christen“, die übrigens, ganz wie die Partei im Volk, nach kurzer Zeit schon auch in der Kirche die Massen für sich gewann, entstand dann die Bewegung der „Bekennenden Kirche“. Aus meiner heutigen Sicht, als einer der Ihren kann ich nicht umhin, sie als den Pendelschlag ins dogmatisch Fundamentalistische zu sehen. Wie sie alle verwandt sind! Die drei Religionen biblischen Ursprungs und die neuzeitlichen Ideologien im „Willen zur Macht“. Die drei Religionen als Lehrmeister in der Beherrschung von Massen. „Von der Wiege bis zur Bahre“ nicht aus den Händen lassen, tagaus tagein den Willen der Menschen durch unermüdliche Schulung zugunsten einer Ideologie verkümmern machen, sodass der Mensch schließlich die Manipulation nicht mehr wahrnimmt.01 - 12 - 97Ich erinnere mich an ein Wort eines Freundes. Manfred Koschorke war zu Kriegsbeginn Studentenpfarrer in Königsberg und ich als Soldat in der Grundausbildung für die Front in Ponarth, einem Stadtteil von Königsberg. Manfred gehörte auch zur B.K. Er war alles andere als Nazi. Aber er bewunderte an Hitler wie er die Massen zu beherrschen verstand.Wir merkten damals gar nicht, dass es nur den Religionen biblischen Ursprungs abgelesen und nachgemacht war. Immer wieder und überall die Massen mit ihrem Leben in die Ideologie bannen! So kam es mit dem „Heil Hitler“ als allgemeinem Gruß zu täglichen, ja stündlichen Erinnerungen. Das emanzipierende Denken der Menschen durfte nicht zu Atem kommen. Das gefiel nicht nur der Überzahl normaler Bürger, sondern auch der der Intelligenz. Ist der Mensch geneigt seine Selbstbestimmung zu verkaufen? Dostojewski meint: „ Dem törichten Herzen ist die Freiheit kein Gewinn“. 02 - 11 - 97Allmählich fange auch ich an, mich in diese selbstzerstörerische Leidenschaft der Menschheit zu fügen. Zur Zeit findet eine große Umweltkonferenz in Japan statt. Es kommt zum Streit zwischen Europa einerseits und den U.S.A. und Kanada andererseits. Letztere wollen der Luftverschmutzung in ihren Ländern längst nicht so viel Gewicht beilegen, wie die Europäer. Aus klimatischen Gründen sind sie weniger betroffen. Eine Einschränkung des Ausstoßes würde die Industrie treffen, die Produkte verteuern und so die Menschen in den U.S.A. im globalen Konkurrenzkampf benachteiligen. Das ist Krieg mit anderen Mitteln. Nur zu, sage ich jetzt. So wie viele Menschen zu Lebzeiten ihre Augen vor den Gefahren des Lebens und letztlich auch vor dem Tod verschließen, genau so verhält sich ein Teil der Menschheit jetzt gegenüber der drohenden Zerstörung alles Lebens auf dieser Erde. Wird einiges Leben am Ende resistent sein und unter den veränderten Bedingungen weiter leben? Solche Aussichten, täglich den Menschen ins Bewußtsein gebracht, müssen schwermütig machen. Ist unsere Menschheit schwermütig? Ist das die Ursache dafür, dass die Religionen biblischen Ursprungs in Panik geraten. Sie bringen diese Misere in Zusammenhang mit der nach ihrer Meinung zunehmenden Gottlosigkeit in dieser Welt. Sie wollen diese Menschheit mit aller Gewalt wieder unter Gottes Herrschaft zurückholen, in der Hoffnung sie dadurch retten zu können. Das würde den mörderischen und selbstmörderischen Fanatismus der Fundamentalisten verständlich machen.03 - 12 - 97Die „Grünen“ wollen zurück zur Natur. Der islamische Fundamentalismus will zurück zu Gott. Ich hörte eben über den Deutschlandfunk ein Gespräch mit Fachleuten über die indischen Gurus und ihre deutschen Ableger. Die Beteiligten dachten nicht von ferne daran, dass die biblischen Religionen diese Methoden seit David praktizieren. Erziehung gehört zum Einüben des Lebens. Der Lebensraum des Menschen ist dauerhaft dem Menschen zugesellt und gegenwärtig. Dem möchte Erziehung auch religiöse oder humane Lebenshilfen dauerhaft beigeben, wie Lesen, Schreiben, Rechnen so auch „Glaube, Hoffnung, Liebe“. Die Methode etwas ständig gegenwärtig zu haben ist es also gar nicht, um die es hier geht, sondern der Inhalt, der so vermittelt wird. Bei den bibl. Religionen : Die „verordnete Liebe“ der Davidzeit oder „der Mensch ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ des Jahwisten. Von denen erstere das Feld beherrscht.04 - 12 - 97Der Mensch „ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ handelt nach dem Motto: Wie ich mir wünsche von meinen Mitmenschen behandelt zu werden? So will ich sie behandeln.28. 12 - 97Ob es möglich ist Menschen „ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild“ zu erziehen? Es lockt mich dem einmal nachzugehen. Von der Schulpädagogik habe ich nur soviel Ahnung als mir zum Vater- und Pfarrersein nötig war. So mache ich es wie der Jahvist und lese es dem Leben ab. Aufgewachsen bin ich in der allerwelts Kindererziehung. Zu Anfang habe ich noch vom Vater, in der Volksschule und im Gymnasium Stockschläge und Ohrfeigen erhalten. Das hat sich dann allmählich gewandelt und anderen Methoden, der Jugend Herr zu werden, Raum gegeben. Heut zu Tage scheint sich in Elternhäusern und Schulen einfach ein laisser faire durchzusetzen und die Quittung dafür den Schulen und deren Zeugnissen überlassen.Gestern sind wieder in Algerien 400 Menschen von Islamisten grausam ermordet worden und die algerische Polizei hat nicht eingegriffen, obwohl sie in der Nähe war. Soll das heißen, dass es den herrschenden französischen Algeriern im Grunde willkommen ist, wenn sich die arabisch stämmigen und in der Überzahl befindlichen Einwohner des Landes selber umbringen? Ich kann mit niemandem darüber reden. Meine eigenen Leute verschließen davor Herz und Sinn. Sie wollen nichts davon hören und im Fernsehen nichts davon sehen. Während ich täglich die Nachrichten im Deutschlandfunk höre und so den Anschluß behalte an die Ereignisse des Vortages, die Länder und ihre Probleme kenne und so „global“ informiert bin, bin ich es der den Frieden stört, wenn ich mit meinen lieben Nächsten darüber reden möchte. Allmählich wird mir dies Tagebuch zum einzigen Gesprächspartner. 10 - 01 - 98Der Entdeckung der Macht, mit Geschrei Menschen herbei zu rufen und sich gefügig zu machen, gehört zu den ersten Erfahrungen eines Säuglings. Auch Feindschaft begegnet ihm in diesem Zusammenhang und zwar immer dann, wenn seinem Geschrei nicht nachgekommen wird. Unter der Voraussetzung, dass „der Mensch böse sei von Jugend an“, hat biblische Erziehung den Willen des Menschen, seine Selbstbestimmung, brechen zu müssen geglaubt und in Gehorsams- und Glaubensmustern förmlich programmiert und so unter seine Herrschaft gebracht, dass er gar nicht mehr die Fesseln merkt, die ihm angelegt sind.16 - 01 - 98Letztlich fand sich in der Sendung „Die Fliege“ ein namhafter schweizer Dompteur. Ich fand mich von ihm bestätigt, insofern, als ich schon in Leverkusen in meinen Predigten hier und da den Eltern nahe gelegt hatte, sich vorzustellen, ihre Kinder seien junge Löwen und Tiger, die später einmal ihre Krallen in ihre Herzen schlagen könnten. Mir war schon damals bewußt, dass in der Erziehung der Kinder mit höchster Sorgfalt vorgegangen werden müßte. In der christlichen Erziehung wird die Selbstbestimmung des Menschen zerstört und der Wille zur Macht anerzogen und Feindbilder werden erzeugt. Beides wird durch das Verhalten der Eltern im Kinde geweckt, indem sie selber dem Kind gegenüber Macht anwenden und sich selber dem Kind gegenüber als Feind darstellen. Der gute Dompteur tritt seinen Tieren nicht gegenüber, um sie zu beherrschen, sondern um mit ihnen spielend vertraut zu werden und den Tieren Vergnügen an ihren Darbietungen zu machen. Der Schweizer erzählte, dass eine Löwin kurz vor der Geburt ihrer Jungen sehr unruhig geworden sei und erst als man ihn gerufen habe und er sich zu ihr gesetzt, ihre drei Jungen zur Welt gebracht habe. Danach habe sie sie ihm in den Schoß gelegt.28 - 01 - 98Der Papst hat wieder einmal eingegriffen und den deutschen Bischöfen nahegelegt, bei der Schwangerschaftsberatung die Bescheinigungen darüber, dass eine Beratung stattgefunden hat, zu verweigern. Die Bischöfe haben sich dem gebeugt und werden ab Jahresende keine Bescheinigungen mehr ausstellen. So hat der Bischof von Fulda, Dyba, es schon seit der neuen Gesetzgebung gehandhabt. (Will er der nächste Papst werden?) Hier zeigt sich wieder ganz deutlich, dass hinter der Maske menschenfreundlicher, göttlicher Autorität brutalste menschliche Herrschaft ausgeübt wird, denn über die Kinder führt der Weg zur Weltherrschaft. Sie werden von den Religionen biblischen Ursprungs vom ersten Atemzug an in das Gatter der jeweiligen Religion genommen und in ihre Denkweise auf Schritt und Tritt programmiert. So haben es die Juden , die Christen und die Moslems schon weit gebracht. Sie teilen unter sich die größten Machtbereiche dieser Erde. Die Juden mit ihrem Einfluß über die U.S.A. zur Zeit der Weltpolizist Nr.1; die Christen als kath. Christen unter dem Papst, die orthodoxen unter dem Patriarchen von Konstantinopel, die Moslems unter dem Koran und seiner Hüter. Nur den Protestanten scheint nicht bewußt, dass es auch Machtstreben ist, über den Kinderreichtum ohne Blutvergießen das Übergewicht in der Welt zu gewinnen.Diese Zusammenhänge werden gerade in diesen Tagen für den Eingeweihten deutlich Bill Clinton steht mit dem Rücken an der Wand. Er wird verdächtigt, sexuelle Beziehungen zu Frauen im Weißen Haus gehabt zu haben. Er ist Demokrat und behandelt Netanjahu, den israelitischen Ministerpräsidenten, wegen seiner Konfrontationspolitik gegenüber den Palästinensern kühl, geradezu abweisend. Das kränkt natürlich die Konservativen, in deren Reihen die stärksten und einflußreichsten Freunde des radikalen Vorgehens gegen die Palästinenser sitzen, diejenigen die heute lieber als morgen Jerusalem den Palästinensern aus den Händen gerungen wüßten und jeden Frieden mit ihnen ablehnen, solange das „heilige Land“ nicht wieder in den legitimen Händen derer liegt, die sich als von Gott dafür bestimmt ansehen. Clinton, der lieber an dem Frieden der beiden Kontrahenten arbeitet, mussverschwinden. Ist dazu jedes Mittel recht? Israel ist unmerklich über die U.S.A. zur Weltmacht geworden. Oder besser noch. Die Feinde Israels haben es in der langen Geschichte dieser Feindschaft dahin gebracht, dass es jetzt die Entscheidung über Krieg und Frieden in der Welt in der Hand hat. Nach allem, was ihm angetan wurde, darf keiner mit ihm ins Gericht gehen, wenn es auch selber in die Versuchung gerät, nahe dem Ziel, hier und da mit nicht ganz sauberen Mitteln meint, nachhelfen zu müssen. 06 - 02 - 98Im Deutschlandfunk kam das Verhältnis von Religion und Reklame zur Sprache. Anlaß war eine von der kath. Kirche beanstandete Reklame der Volkswagen Werke in Frankreich. Das Plakat hatte den neuen Golf in Zusammenhang mit dem Abendmahl gebracht. Der ins Gespräch gebrachte Jesuitenpater sah durchaus das Parallele zwischen Religion und Reklame und befürwortete darum natürlich illustrere Gottesdienste. Die eigentliche Macht von Religion und Reklame kam gar nicht in Sicht: Ihre ständige Gegenwart im Leben der Menschen. Das hat die Reklame bei den biblischen Religionen gelernt. Zum Glück bedient sich die Reklame dieser Methode in einem Maße, dass es für den vernünftigen Menschen schon widerlich ist. Wir wählen, wenn irgend möglich, keinen Sender mehr, der sein Abendprogramm mit Reklame unterbricht. Wir fühlen uns manipuliert und erkennen die ganze Verächtlichkeit mit der hier der Mensch, dem das Denken lästig ist, mit „Zuckerbrot und Peitsche“ in seiner Selbstbestimmung verschaukelt wird.Was ich bei meiner Arbeit heimlich gedacht, aber nicht niederzuschreiben gewagt habe, spricht Hölderlin ganz ungeniert aus: dass die Beschränktheit der Gottesmänner „Christum ärger töten als die Juden, weil sie sein Wort zum Buchstaben, und ihn, den Lebendigen zum leeren Götzenbild machen ... Es musste alles so kommen, wie es jetzt überhaupt, und in der Religion besonders ist, und es war mit der Religion fast so wie jetzt, da Christus in der Welt auftrat“. Ich unterscheide mich von ihm nur darin, dass ich das im Blick auf den hist. Jesus feststellen muss : Die Kreuzigung hat nie aufgehört. Mit seiner Botschaft des Verzichtes auf den Willen zur Macht und auf Feindbilder war und ist er der Gekreuzigte geblieben. Unser ganzes Wirtschaftssystem, die Hochhäuser der Banken sähen sich in Frage gestellt, die U.S.A. als Weltpolizist und die, die es auch sein möchten und nicht zuletzt die Kirchen als Institutionen.... 08 - 02 -98... Ich muss hinzufügen: Als Institutionen, die im Grunde Staaten im Staate sind, mit eigener Gesetzgebung mit eigenen Steuern, eigenen Schulen und eigenen Rathäusern. Gottesstaaten in den weltlichen Staaten und darum im ständigen Konflikt mit ihnen. Die Fortsetzung des Streites zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter: Der Konflikt um die Kruzifixe im den Schulen, § 218 bis zum Erbrechen. Da zeigt sich der Machtwille, im Gewande der Menschenfreundlichkeit.19 - 02 bis
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03 - 1998 siehe separaten Text: Bemerkungen zu Kafkas "Schloss" aus
religionsgeschichtlicher Sicht
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