Otto Wilhelmy

"Jesus von Nazareth: Das Ebenbild Gottes, selbstbeherrscht, ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild" (2000)




 
Die Friedensforschung versucht mit dem Ruf nach den „Menschenrechten“ und dem Bemühen über „vertrauenbildende Maßnahmen“ Feindbilder und Machtlüsternheit aus dem politischen Handeln zu entfernen. Es ist ihr nicht bewußt, daß sie damit Grundstrukturen der Religionen biblischen Ursprungs angreift und so auch deren Geschichte und Kultur entscheidend in Frage stellt.
Das biblische Denken seit David praktiziert unter dem Dach frühisraelitischen Denkens konsequente und brutalste Herrschaft hinter der Maske der Liebe. Die frühisraelitischen Religionen waren philosophischen Ursprungs und wußten um die tödlichen Konsequenzen aus dem „Willen zur Macht“ (Adam und Eva) und aus dem Entstehen von „Feindbildern“ (Kain und Abel). Darum die Warnungen der Schöpfungsgeschichten. Es sind ja Warnungen und keine Gebote! Unter „Liebe“ verstehen sie den Verzicht auf diese todbringenden Verhaltensweisen!
Unter David vollzieht sich dann die verhängnisvolle Verkuppelung von Liebe und Herrschaft, die das Leben der drei Religionen bis heute vergiftet. „Der Wille zur Macht“ schafft den „Gottesstaat“. Der Traum der Menschheit vom „Frieden auf Erden“ unter einem Herrscher und einem Willen hat sich etabliert und treibt seither sein zerstörerisches Handwerk mit „Zuckerbrot“, Glauben und „Peitsche“, Gehorsam fordernd, oder - was auf dasselbe hinausläuft - mit „Evangelium und Gesetz“. „Von der Wiege bis zur Bahre“ wird dies Denken dem natürlichen Ablauf des Lebens der Menschen lückenlos beigegeben (Sonn- und Feiertage, Morgen- Abend- und Tischgebet). Der Mensch wird geschult, Gott zu „fürchten und zu lieben“. Vorgefertigte Gebote , Glaubensbekenntnisse und Huldigungen (Psalmen und Lieder) werden ihm eingeprägt und so wird er „ schlechthin abhängig“ gemacht von einem „lieben Gott“, der im „Willen zur Macht“ eine Schöpfung Davids oder seiner Ideologen ist. Damit vollzog sich der Wandel vom hypothetischen Vatergott zum faktischen Herrgott, zum Patriarchen. Die elterliche Erziehung und die Schule ist dementsprechend patriarchisch-manipulatorisch. Zuckerbrot und Peitsche korrumpieren die Selbstbestimmung und die Verantwortlichkeit des Menschen.
Die Warnungen der Schöpfungsgeschichten haben sich bewahrheitet. Bis in die Gegenwart beweist es die Geschichte. Der „Wille zur Macht“ führt zu Katastrophen und „Feinbilder“ führen zu Morden. Es ist unsere Vergangenheit. Werden wir uns davon befreien können, wenn es uns bewußt wird?
 

Essay
 
Jesus von Nazareth: Das Ebenbild Gottes, selbstbeherrscht, ohne den Willen zur Macht und ohne Feindbild!
 
Zur Wiederaufnahme des Prozesses.
Das Plädoyer der Verteidigung.
 
Es ist nicht mehr zu übersehen, daß sich bei den Re­ligionen biblischen Ursprungs ein Prozeß der Spal­tung vollzieht. Während ein Teil der Gläubigen im Kompromiß zwischen Glauben und Wirklichkeit zu leben versucht, meint der andere, gerade deshalb mehr oder weniger kompromißlos an seinem Glauben festhalten zu müssen. Der Mord am Ministerpräsiden­ten Rabin ist der aktuellste Beweis dafür, wie abgrundtief der israelitische Fundamentalismus den lebensnahen Friedenswillen in Israel haßt. Die gleichen Tendenzen finden sich bei Christen und Moslems und sind Ursache für das gegenwärtige Morden mit religiös - nationalem Hintergrund.
 
Die eigentliche Ursache liegt weit zurück. Vor­dergründig sind es mehr philosophische als theologi­sche Gründe, die diesen Prozeß in Gang gebracht ha­ben und als „Aufklärung“ die Religionen in die Defensive drängen.
 
Mit der Reformation war die Bibel weiten Kreisen zugänglich und lesbar geworden. Auch das Unge­reimte in ihr blieb nicht mehr verborgen. Descartes Einspruch gegen den strengen Glaubensgehorsam sei­ner Zeit „dubito, ergo cogito, ergo sum“ (Ich zwei­fle. Das beweist, daß ich denke; und das wiederum beweist, daß ich bin.) war dann auch Legitimation für kritische Fragen an die Bibel. Folglich behauptete Spinoza, die Bibel sei von A bis Z menschliches Ge­dankengut. Ihm folgten Hegel und Lessing mit ihrer lapidaren Erkenntnis: „Zufällige geschichtliche Wahr­heiten können nie ein Beweis für ewige Vernunfts­wahrheiten werden.“1 Damit hatten die Landnahme Israels, die Königszeit Davids und die Kreuzigung Jesu - zufällige ge­schichtliche Ereignisse, im Unterschied zum Auf- und Niedergang der Sonne und zur Fortpflanzung des Lebens auf dieser Erde - ihre „ewige“ Gültigkeit philosophisch verloren.
Aber die Kirche - um zunächst einmal von ihr zu re­den - berührte das nur wenig. Verhindern konnte sie nicht, daß dieser kritische Prozeß seinen Fortgang nahm. Bultmanns „Entmythologisierung“ der neute­stamentlichen Botschaft brachte dann schon mehr Bewegung in’s kirchliche Leben. Seine Arbeit galt dem Bemühen, „intellektuell redlich“ Glaube und Wirklichkeit wieder auf einen erträglichen, gemein­samen Weg zu bringen. Aber so viele ihm auch mit großer Erleichterung folgten, so viele verweigerten ihm auch ihre Gefolgschaft. Letztere versteiften sich erst recht auf ihr dogmatisches Christentum. Darüber wurde klar, daß auf christlicher Seite nur einer diesen Streit zu schlichten vermag: Der Jesus von Nazareth, der sogen. „historische Jesus“, von dem bezeichnen­derweise Paulus in seinen Schriften weder seiner Taten noch seiner Worte ausdrücklich Erwähnung tut.2 Er muß die Frage beantworten: War er der Christus des N.T.s oder war er es nicht? Zu weit verbreitet ist schon das Wissen um diesen wunden Punkt im christ­lichen Glauben, wie gesagt, von Paulus selbst verur­sacht.
 
Findet sich auf diese Frage keine eindeutige Antwort, dann zerbricht die Kirche in eine fundamentalistische Hälfte und in die andere, der man zur Zeit nachsagt, sie verliere sich in der „Beliebigkeit“, weil sie der Meinung ist, mit Hilfe der Psychoanalyse und Sozio­logie den Jesus und biblische Texte für die Gegenwart wegweisend für die Menschen unserer Zeit aktivieren zu können. Damit meinen beide auf eine streng ein­deutige Klärung dessen, was dieser Jesus denn nun wirklich verkündigt hat, verzichten zu können, ganz im Sinne ihrer Lehrer Barth und Bultmann.
 
Nun ist aber dieser Jesus noch einmal zum Reden zu bringen und zwar auf einer noch nicht verfolgten Spur:3 Wurde bisher einhellig gelehrt, er habe den „Anbruch der Königsherrschaft Gottes“ verkündigt, so läßt sich jetzt nachweisen, daß sein Vatergott - der „Väter“ Vatergott aus der Frühzeit Israels4,- „herrschaftsfeindlich“ dem HERRgott den Boden unter den Füßen wegzog.
 
Die Ursache dafür liegt aber, wie gesagt, weit zurück und das betrifft nun auch die beiden anderen Religio­nen.
 
Die beiden Schöpfungsgeschichten,5 in deren ersten die „Gottebenbildlichkeit“ des Menschen behauptet wird und der zweiten, mit der Darstellung des Schöp­fungsvorgangs von Mensch und Tier aus Erde, enthal­ten unter anderem auch Lebensansichten, die bis heute nichts von ihrer Gültigkeit verloren haben und nach menschlichem Ermessen auch in Zukunft nicht verlieren werden. ( „Urnormen“ des Lebens; v.Rad) Die Erde ist auch heute noch ein Garten, der uns zum Leben die Nahrung liefert, und wir bewegen uns in ihm in ständigem Wählen - und Entscheidenmüssen. Wir wissen nicht von Natur aus um Gut und Böse, sondern müssen es erst durch Er­fahrung lernen oder von denjenigen gesagt bekom­men, die diese Erfahrung haben. Wir verlassen uns auch heute noch am liebsten zuerst und zuletzt auf un­ser eigenes Urteil, wenn es darum geht, eine Ent­scheidung zu treffen. Geht die Sache schief, suchen wir die Schuld zunächst bei anderen. Dieser uns auch heute noch geläufige Realismus des Erzählers - nach dem von ihm gebrauchten Gottesnamen Jahwist ge­nannt - führt zu einer gänzlich neuen Deutung der Schöpfungsgeschichten.
 
Nun stammt aber der Gottglaube der Stämme Israels nicht aus der Schöpfung, sondern aus der Landnahme: „Der dich aus Ägyptenland, aus dem Diensthause ge­führt hat!“ Freiheit und Seßhaftigkeit, der Traum ihrer Nomadenzeit, war in Erfüllung gegangen. Als ein un­verdientes Geschenk lag es in ihren Händen. Aber wenn schon Geschenk, von wem kam es und, was hatte es zu bedeuten? Die Antwort darauf war dem Geschenk nicht auf die Stirn geschrieben. Die unge­ahnte Größe des Geschenkes, ohne jede erkennbare Forderung nach Gegenleistung oder Dankbarkeitsäu­ßerungen überließ es den Empfängern, sich darauf ei­nen Reim zu machen.
Ein Erzähler unserer Tage hat diesen Vorgang erkannt und läßt eine Figur seines Romans zu seinem Freunde sagen: „Hast Du je daran gedacht, wie sehr ich Dich geliebt habe? Mich hast Du nicht davon anfangen hören, nie, denn ich finde, daß der, der geliebt wird , das selbst erfahren und erkennen muß, wenn nicht, tant pis, mon cheri“6
Damit begann ein Rätselraten darüber, wer der Schenkende sei und darüber, wel­chen Sinn dies Geschenk haben könne? Kein Zweifel, es war Liebeswerben. So suchten sie nach einem vergleichsweise ähnlichen Vorgang in ihrem Leben und fanden ihn in der Geburt eines Kindes. Auch da - und nur da - fand sich dies bedingungslos geschenkte Leben in Geborgenheit zu Mündigkeit und Selbstbestimmung. Das führte sie unmittelbar zu einer elterlichen Gottheit.7 ( Ich hörte neulich von einem Maler, der den Ursprung des Lebens zwischen zwei gespreizten Beinen einer Frau gefunden habe. Das ist nicht nach meinem Geschmack., aber aus demselben Lesebuch abgelesen, aus dem auch die frühisraelitischen Denker ihre Weisheit nahmen, hier mütterlich, dort väterlich.) Mit unserem Wissen versehen, hätten sie als Realisten mit Sicherheit die Sonne als Lebensquelle erkannt. Die damaligen Bedingungen brachten es für sie zu Namen, in denen von einem „El“ oder mehreren „El“ die Rede war. Eine andere Spur arbeitet mit dem sogen. Vierbuchstabenwort „JHWH“ = „Jahwe“. Dies Wort hat sich im hebr. A.T. als Name für die „herrschaftfeindliche8 Lebensquelle durchgesetzt.
Was hatte das Geschenk ihnen verraten, welches Ziel verfolgte dieser unbekannte, elterliche Freund ? Was sagten die zuständigen Weisen?: „Höre, Israel, JHWH ist unser Gott und du sollst JHWH, deinen Gott, liebhaben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit aller deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst“9 . Das wurde die Achse, um die sich in Zukunft alles drehen sollte, wenn es um Gott ging, Der erste weise Hinweis zur Lebensgestaltung unter diesem Aspekt lautete: „Ehre Vater und Mutter, auf daß dir’s wohl ergehe und du lange lebest auf Erden.“
 
Aber zu der Freude über das Glück der Landnahme gesellte sich dann der tägliche Schweiß und Ärger von Neusiedlern in einem schon bewohnten Land. So wurde zwangsläufig aus der reinen Freude und dem Wunsche: „Verweile - Augenblick - du bist so schön!“ eine unvermeidliche Ernüchterung. Das haben die klugen Denker Israels schon früh erkannt und darüber nachgedacht, wie dem abzuhelfen sei. Sie überlegten, wie sie dies Liebeswerben davor bewahren könnten, seine beglückende Bedeutung im Laufe der Zeit und unter veränderten Umständen zu verlieren ( Hegel - lessingsche These s.o.). Sie mußten also nach einer Grundlage suchen, die die Beweislast für die Liebe JHWHs auf Dauer zu tragen vermochte.
 
Hieß es nicht in 1..Mose 12,3 an Abraham gerichtet: „In Dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde.“?
Was lag da näher als der Gedanke, diese, unsere Erde und unser Leben auf ihr, als ewiges, unerschöpfliches Liebeswerben JHWHs zu deuten. Damit war der Landnahme Genüge getan. Nun galt es noch das Liebeswerben JHWHs in der ersten ethischen Aussage der Bibel über den Menschen, seiner „Gottebenbildlichkeit“ auf dieser Grundlage aufzuzeigen. War ihnen das Eltern-Kind-Verhältnis schon behilflich gewesen, den Sinn der Landgabe zu verstehen, so erweist es sich jetzt erst recht als hilfreich, denn der Vorgang der Geburt eines Kindes ist zu allen Zeiten und an allen Orten der Erde nicht nur von gleichem Gewicht, sondern auch im Ablauf der gleiche.
Sie erzählen den Vorgang als willentliche Erschaffung eines Menschen aus Erde, zu der er erfahrungsgemäß am Ende wieder wurde. Mann und Frau in eins. Dieses Menschenpaar sehen sie bedingungslos mit aller Freiheit ausgestattet, das Leben zu erproben. Sie müssen in anfänglicher Unkenntnis von Gut und Böse zwischen Lüge und Wahrheit leben und machen Fehler. Es kommt zur Katastrophe, die damit endet, daß sie sich selber verachten. Aber so lernen sie, Gut und Böse zu entdecken. Sie werden nicht in Gehorsam genommen, sondern nur gewarnt vor der Todesgefahr, die im „Willen zur Macht“ droht. Der Lernprozeß wird ihnen nicht erspart.11 So wichtig ist den Erzählern die Freiheit des Menschen. Das läßt sich auch noch aus der „herrschaftlichen“ Überarbeitung zum sogen. „Sündenfall“ herauslesen. Die zweite ethische Aussage über den Menschen ist also die Warnung vor der Versuchung des „Willens zur Macht“.
War so das Liebeswerben JHWHs in der Landnahme für alle Zeiten gültig gemacht, galt es nun auch noch dem „und deinen Nächsten wie dich selbst“ in dieser Hinsicht gerecht zu werden. Darum wird von den Erzählern auch noch das Zusammenleben in der Familie, das Zusammenleben von Brüdern als einem „ewigen“ Baustein des Lebens zur Sprache gebracht. Wiederum handelt JHWH einseitig und bedingungslos in der „Erwählung“ Abels und ruft damit bei Kain die Irritation hervor, die dann zum Morde seines Bruders führt. JHWH greift nicht ein. Aber er versucht, Kain noch zur Vernunft zu bringen mit dem Hinweis, er brauche nicht so zornig zu reagieren, es gäbe auch noch eine andere Lösung des Problems. Herauszufinden, daß die Wahl JHWHs auch eine Einladung an ihn sein könne, in den „Bund“ einzutreten, wird Kain überlassen. Auch er wird nicht in Gehorsam genommen, sondern zur Vorsicht gemahnt, nicht einem „Feindbild“ zu verfallen, um nicht beim Mord zu enden, der dritten ethischen Aussage der Schöpfungsgeschichten über den Menschen. Auch hier kommt es zur Katastrophe und dann zu einem vernichtenden Urteil Kains über sich selber.
Die alttestamentliche Theologie hat schon immer erkannt, daß der „Bund“ Gottes mit Israel als eine einseitige Sache Gottes in der Bibel dargestellt wird und keinerlei Bedingungen enthält, so daß kein ursächlicher Zusammenhang mit dem „Gesetz“ zu finden ist10 . Die Stämme Israels sahen sich von JHWH geliebt, in die Freiheit gesetzt und nicht in Gehorsam genommen. Insofern gleicht der „Bund“ dem Verhältnis der Eltern zu ihren Kindern, als diese den Kindern das Leben schenken und im voraus keinerlei Vorkehrungen treffen, die dafür sorgen könnten, daß diese Kinder den Eltern dankbar oder auch nur gehorsam werden. Auch rückgängig können sie nichts mehr machen.
 
Hier stellt sich nun die Frage: Was verstanden die frühisraelitischen Denker unter Liebe? Ein abgrundtiefer Widerwillen gegen Herrschaft und Gewalt hatte sich in den Stämmen angesammelt und festgesetzt in der Zeit, als sie ohnmächtig zwischen den Großmächten, gebraucht oder verjagt, ihr Leben fristeten. Das Freund-Feind-Denken entwickelte sich entsprechend als Klassifizierung in Herrschende einerseits und Unterdrückte andererseits. Es fand in ihren eigenen Reihen keinen Boden. Da galt die Selbstbestimmung als ein ehernes Menschenrecht, das sie nicht nur für sich selbst in Anspruch nahmen, sondern auch dem Mitmenschen gewährten „dem Nächsten, wie sich selbst“.
Liebe vollzog sich unter ihnen als respektvoller Umgang mit der Selbstbestimmung der Mitmenschen in  Gestalt der eigenen Selbstbeherrschung. Sie versagte sich jede Form des Zwangs oder der Verlockung, sie zu manipulieren, wohlwissend, damit nicht nur die Selbstbestimmung , sondern auch die Verantwortlichkeit des Menschen zu korrumpieren.
Der Jahwist bringt das in seiner Erzählung von der Erschaffung des Menschen zur Darstellung. Es ist seine Interpretation der „Gottebenbildlichkeit“ des Menschen aus der ersten Schöpfungsgeschichte. . Die Schlange ist für den Erzähler dabei eine Schlüsselfigur. Sie ist nicht zufällig oder unglücklicherweise im Paradies, sondern eine wohlerwogene Figur in dem Spiel, das da abläuft. Der JHWH des Jahwisten selbst öffnet damit eine Tür, durch die seine Geschöpfe seine liebende Willenswelt ungehindert verlassen und wieder aufsuchen können. Er selber verzichtet damit aus Liebe auf den Willen zur Macht über sie, er will nicht ihr Herr und sie sollen nicht seine „Tagelöhner“ sein, denn er liebt seine Ebenbilder „leidenschaftlich“(s. Anmerkung 7), wie ein Vater, der seine Kinder leidenschaftlich liebt. Er könnte ihr Herr sein, aber er will es nicht („herrschaftfeindlich“) und schenkt dies Herrsein mit Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung nun auch seinen Geschöpfen .. Jesus hat das gemeint, wenn er später sagt: „Ihr sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
.Darum wird ihnen die Warnung mitgegeben, nun nicht ihrerseits dem Willen zur Macht über andere zu verfallen, nachdem JHWH ihnen gegenüber aus Liebe darauf verzichtet. Das wäre für den Menschen zu tiefst erniedrigend.
Wir haben es in dieser Erzählung mit Erwachsenen und „Urnormen“ menschlicher Pädagogik zu tun. Darum werden die Katastrophen nicht verhindert, die das natürliche Verlangen der Menschen , die Wahrheit dieser Warnungen zu ergründen , herbeiführt. Warnungen und gute Ratschläge gehören noch auf die Seite der Liebe, sie respektieren den „Herrn“ im Menschen. Die Maßnahmen, die eine Katastrophe gegen den Willen des Betroffenen zu verhindern suchen, zwingen zum Willen zur Macht, zu Eingriffen in des Menschen Selbstbestimmung und kaufen sie ihm mit „Zuckerbrot oder Peitsche“ ab und machen ihn so zum „Tagelöhner“, fremdbeherrscht und verantwortungslos. So wird in der Regel schon im Säugling und Kleinkind das „Ebenbild Gottes“ zerstört, wenn man meint, die Eigenwilligkeit eines Kindes brechen zu müssen und sich nicht die Mühe macht, es im Umgang damit ein zu üben.
 
Dieser Vorgang, die Beweislast für das Liebeswerben JHWHs von der Landnahme auf das Leben aller Menschen dieser Erde zu verlagern, hatte zugleich auch aus dem Vatergott der Väter den Vatergott der Menschheit gemacht. Das beweist, wie unbefangen die Erzähler mit ihrem Gott umgingen, der strenggenommen auch gar nicht benötigt wurde, wenn man sein Liebeswerben nicht seinem Munde, sondern, wie geschehen, dem Geschenk des Lebens, der Geburt eines Kindes vergleichbar, ablas, so daß in der Vatergottheit, da „herrschaftfeindlich“, das Mütterliche mit enthalten war und nichts Patriarchales. Ein außerirdischer Gott, der sich in der Schöpfung sein Regime schuf, lag außerhalb des Denkbaren dieser Erzähler. JHWH war väterlicher Art und mehr nicht, so daß die Stämme Israels sich nie ein „Bildnis“ von ihm machten, ihn „nicht anbeteten und ihm nicht dienten“.
 
Halten Sie fest, daß in der Frühzeit der biblischen Erzähler das Geschenk des Lebens in Freiheit gefeiert wurde und nicht so sehr die Gottheit, die im Grunde nur als hypothetischer Hintergrund eine Rolle spielte.
 
Diese Sicht der Dinge aber ging unter, als die Königs­zeit Davids und Salomos, wie die Landnahme, als er­neutes Liebeswerben dieses JHWH verstanden wurde und nun erst der Väter Vatergott im Hochgefühl dieser Zeit auf den Schild gehoben und als Weltherrscher auf einen himmlischen Thron gesetzt wurde. Der Traum von der Königsherrschaft Gottes auf Erden war geboren, der Gottesstaat greifbar nahe: Ein Gott, ein König, ein Tempel, ein Volk unter der Herrschaft eines Willens, des„Willens zur Macht“! Es ist die Geburtsstunde unserer biblisch-europäischen Kultur .
Dieser Vorgang liegt in der Bibel offen zu Tage. Hatte der Vatergott der Väter zuvor den Namen „JHWH“ getragen, wurde dieser nun zu einem Wort, das Menschenmund nicht mehr aussprechen durfte, ohne die Gottheit in ihrer Erhabenheit zu verletzen. So las man von nun an, wo immer diese vier Buchstaben im Text standen, das von „Adon“ - Herr - abgeleitete „Adonai“, „Mein Herr!“, die Anrede an einen Herrscher ( in der Luther Bibel konsequent beibehalten).
Alles bis dahin vorhandene Schrifttum wurde entsprechend überarbeitet. Man kann diese Überarbeitung daran erkennen, daß Herr­schaft sich besonders zweier Instru­mente bedient, um ihren Willen bei den Untertanen durchzusetzen: Der Gesetze, unter Androhung von Strafe, Gehorsam fordernd einerseits und des Lockens mit großen Versprechungen, Glauben fordernd ande­rerseits. Wo immer diese Handhabungen in der Bibel zur Sprache kommen, wo immer dem Menschen seine Selbstbestimmung so oder so abgekauft wird, ist nicht Liebe, sondern menschenverachtende herrschaftliche Manipulation im Spiel.
 
Man wollte Herrschaft und suchte dazu die passenden Objekte. Von nun an wird gut und böse nicht mehr nur vom Menschen erfahren und erkannt, sondern das Freund-Feind-Bild wird herrschaftlich bestimmt und in die eigenen Reihen übertragen. Gut ist derjenige, der sich der Herrschaft gegenüber loyal verhält und böse der Widerspenstige, gut der „Gerechte“ und böse der „Ungerechte“. An oberster Stelle des Gesetzes aber mußte das „Höre Israel“ stehen mit dem Liebeswerben JHWHs, das jetzt als Liebesforderung aber so keinen Sinn machte. So wird das Liebeswerben der Schöpfungsgeschichten, das ursprünglich, nach ihrem Fehlverhalten, mit der Scham der Menschen endete, umgedeutet zu einer Gehorsamsprobe mit Sündenfall und Strafmaßnahmen. Zu Protokoll wird gegeben: „Das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend an“. Mit diesem Kunstgriff, die ganze Menschheit in das Tintenfaß der Bosheit zu tauchen, war das Feindbild vom Menschen geschaffen, von dem Herrschaft lebt.- Der Mensch ist von Natur aufsässig und braucht darum Herrschaft.- Man hatte gleichsam den HERRgott zum Besitzer der Erde gemacht, zum Gesetzgeber und zum Brotgeber der Menschen. Die Liebesforderung aber trog. Sie war nun in Wahrheit die hoheitliche Einforderung von Leistungen seitens des Menschen: Zunächst in Gestalt von bedingungslosem Gehorsam und Glauben der herrschaftlichen Gesetzgebung gegenüber, sodann in Tributen von Opfern , Huldigungen und Ovationen. Die Gnade des Lebens forderte ihre Zinsen: Gehorsam und Glauben , den Verzicht auf die Selbstbestimmung. JHWH wird im „Adonai“ zu einem realistischen Gegenüber zum Menschen und gewissermaßen ein „Bild“ in der Vorstellung des Menschen, anbetbar und dienstbar.
 
Hier verliert die Menschheit die humane Weisheit der frühisraelitischen Denker.
Aus Philosophie wird Theologie in Gestalt eines absolutistischen Monotheismus, der seinen Willen eindeutig kundtut und irdische Priester oder Könige stellvertretend bevollmächtigt dafür zu sorgen, daß er verstanden und befolgt wird.
 
Diesem Prozeß der Überarbeitung wird auch das ursprüngliche, der Vatergottheit zugehörige Doppelziel der Liebe (3.Mos.19,18) geopfert. Das „und deinen Nächsten wie dich selbst“ bewies, daß die Verfasser dieses Glaubensbekenntnisses nicht von Ferne an einen zwingenden Monotheismus gedacht hatten, als sie die Gottes- und die Nächstenliebe gleichgewichtig als Zielsetzung JHWHs in’s Bekenntnis schrieben. Diese Konkurrenz wurde beseitigt, so daß der Blick ausschließlich auf den „Gnadenthron“ gerichtet wurde und, so zu sagen, die Theokratie in Gnade die Welt regierte
 
Die geforderte Liebe, erwies sich aber als ein Verlangen, dem die Stämme Israels nicht sogleich gerecht zu werden vermochten, weil sie im Liebeswerben JHWHs zu leben gewohnt, ihre Freiheit als ihr höchstes Gut an zu sehen, gewohnt waren, so daß sie diese neue Sicht der Dinge nicht leicht nachvollziehen konnten. Geforderte Liebe ! ? Das hatte es für sie noch nie gegeben. Das verlangte ein neues Denken. Die kananitischen Natur- und Fruchtbarkeits-Gottheiten hingegen standen ihrer Vater-Gottheit sehr viel näher als diesem HERRgott Es dauerte lange, bis sich der Traum vom Gottesstaat auch in der Bevölkerung durchsetzen konnte. Diese Sicht Gottes bedurfte des Einübens und der Schulung der Menschen von Kindesbeinen an, sowie eines ständigen Erinnerns auch der Erwachsenen. Es war ja eine der Wirklichkeit fremde Idee, eine „Fremdsprache“, dem „Herzen“ der Menschen und ihrem „Geiste“, ihrem Wissen, ihrer Wahrnehmung und ihrer Selbstbestimmung zuwider. Die menschenfreundliche Erziehung wandelte sich zur menschenverachtenden Manipulation. „Von der Wiege bis zur Bahre“ wurde diese vorgefertigte Ideologie wie ein lückenloses Netz über das Leben der Menschen gelegt. Mit der Zahl der Kinder wuchs die Macht des Gottesstaates ganz natürlich und noch dazu hinter der Maske einer uneingeschränkten Lebens- und Kinderfreundlichkeit.
 
Die Dichter taten dazu das Ihre, indem sie in ihren Liedern die Gottheit, ihre Größe und Macht einerseits, andererseits ihre Güte und Barmherzigkeit über den grünen Klee lobten.und damit den Tempelbesuchern neben dem Opfer auch zu den geforderten Huldigungen und Ovationen verhalfen.
 
Die frühisraelitischen Denker hatten die Herkunft des Lebens an der Geburt ihrer Kinder abgelesen und ablesen können und darum ständig vor Augen, weil sich der Vorgang Tag für Tag im Leben der Menschen wiederholte. und dieses ständige Einprägen nicht benötigt wurde. Der Tempel ihres Gottes war das Land in dem sie lebten. Ebenso hatten sie es nicht nötig, wie die Befürworter dieser Neuorientierung, mit ihrem JHWH in ein Gespräch ein zu treten. Er schenkte ihnen alles wortlos, was sie zum Leben brauchten, dazu die Kreativität, das darüber hinaus Benötigte, sich zu verschaffen. Das war nun anders. Der HERRgott verlangte natürlich das Bitten seines Volkes als Ausdruck seiner „schlechthinnigen Abhängigkeit“ von ihm.
 
Das war die Stunde der Propheten. Die nun alle ihre Kunst daran setzten, Israel mit diesem neuen HERRN und den HERRN mit Israel zu versöhnen. Es galt „Herz“ und „Geist“ dieses Volkes dem HERRN zu gewinnen, oder den HERRN zu gewinnen, seinem Volk „sein Gesetz in ihre Herz zu schreiben“ und so mit „seinem Geist“ zu programmieren, das bei der Schöpfung vermeintlich Versäumte nachholend. Ein Bemühen, über das Juden und Christen bis heute nicht hinausgekommen sind.
 
Es ist bezeichnend, daß der erste Schriftprophet, Amos, - der kein Prophet sein wollte - auftritt, nachdem der „Gottesstaat“ zerbrochen und Israel in einen Nord- und in einen Südstaat zerfallen war. Es ist bezeichnend, daß er, aus dem Südreich kommend, wo Jerusalem und der Tempel lagen, genau dies von der abgefallenen Hälfte Israels fordert: Die Wiederherstellung des Traums. Die Theokratie findet in den Propheten ihre engsten Verbündeten. Das manifestiert sich darin, daß der Inhalt des A.T.s pauschal und mit Vorliebe als „Das Gesetz und die Propheten“ im Sprachgebrauch Israels zu finden ist.
 
Aber Gnade ist nicht Liebe. Die Landnahme der Stämme Israels war nicht die Freigabe eines gefangenen Feindes, oder die Einstellung eines Arbeiters durch einen Arbeitgeber, also kein Gnadenakt, sondern ihr „Menschenrecht“ auf ein normales Leben auf eigenem Grund und Boden. Sie verpflichtete sie darum zu gar nichts. Auch die Geburt eines Kindes ist kein Gnadenakt, sondern ein notwendiges Erfordernis im gigantischen Willen des Lebens, sich im Nichts zu behaupten und zu vermehren..
 
Nach der ersten Freude über die Staatsgründung unter David vollzog sich aber auch hier der gleiche Vor­gang wie bei der Landnahme. Das Leben in der Kö­nigszeit verlor die anfängliche, echte Begeisterung. Sie wich auch hier der Ernüchterung. Das Königreich Israel zerbrach. Aber der Traum blieb. Bestand nicht Hoffnung, daß der, der in der Landnahme und in der Königszeit Davids und Salomos, in zwei geschichtlichen Ereignissen, zu Gunsten sei­nes Volkes eingegriffen hatte, ein weiteres Zeichen seiner Liebe geben könnte? Das führte zu einer neuen Erweiterung des Traumes, zu der Hoffnung auf den Messias, von den Propheten geweckt.
 
Die Sicht Gottes als HERR hat sich bei Juden, Chris­ten und Moslems durchgesetzt und als Weltanschau­ung mit seinem religiösen Freund-Feind-Bild über große Teile der Menschheit diktatorische Macht gewonnen. Die Tendenz ist: Eine Erde, eine Menschheit, unter dem Willen eines Gottes . Da nun aber jedes Volk diesen Gott am besten lieben möchte, prügeln sich die Völker wie Küchenjungen am Hofe des Königs um den Vorzug. Der Konkurrenzkampf entbrennt. Ob Juden, ob Christen, ob Moslems sie hassen sich wie Kain den Abel und sie hassen sich noch einmal in ihren eigenen Reihen.
 
In diesem lückenlosen Netz der Herrschaft Gottes, mit allem was dazugehört, dem Gesetz, der Gnade, der Sünde und Verlorenheit des Menschen und der Messiaserwartung findet sich auch dieser Jesus zunächst vor. Er  muß selber unter dieser schweren Last seines Volkes gelitten haben, immer nur in der Hoffnung auf die Liebe Gottes leben zu müssen und nicht zur Ruhe gekommen sein, bis er in den Schöpfungsgeschichten die wunderbare Weisheit seiner Vorfahren entdeckte, hinter der herrschaftlichen Überarbeitung zum Sündenfall. Erlöst von aller Last der Ungereimtheiten seiner Religion, sah er das Leben mit neuen Augen und den wahren Segen seines Volkes für die ganze Menschheit. Den Menschen stellt er wieder in die glückhafte, täglich sichtbare und greifbare Wirklichkeit des Lebens als Paradies und als Tempel Gottes und nimmt die Menschheit wieder als Familie, in der ausnahmslos alle „Kinder Gottes“ sind: „Gerechte und Ungerechte“, „Gute und Böse“, wo der „Wille zur Macht“ und Feindbilder nur zerstörerisch sind.
Er verstand sich als Mensch der Familie seines Vatergottes zugehörig, allen Ernstes als „Sohn Gottes“ und nannte sich darum „Menschensohn“- zu ergänzen: Gottes -, um jenem Mißverständnis vorzubeugen, er halte sich für ein göttliches Wesen. Wie Sonne und Regen mit ihrem Segen unterschiedslos alle Menschen bedienen, so bedient auch sein Vatergott ihn und seine Mitmenschen mit bedingungslos geschenktem Leben in Gestalt der Kindschaft. Nur zwei Warnungen werden ihnen auf dem Weg mitgegeben: Die Warnung vor dem Willen zu Macht und die Warnung vor Feindbildern weil beide die Familie zerstören, indem sie zu Mord und Totschlag führen.
Jesu Selbstbestimmung orientiert sich an dieser Ordnung, die er in dem frühisraelitischen Gottes- und Menschenverständnis der Schöpfungsgeschichten gefunden hatte, „herrschaftfeindlich“ also nicht patriarchal.
 
So lautet das Glaubensbekenntnis des „hist.Jesus: „Abba, der die Sonne aufgehen läßt über Gute und Böse und der Regen fallen läßt auf Gerechte und Ungerechte“. Mit unserem Wissen ausgerüstet, hätte auch er von der Sonne als Lebensquelle geredet. Er kommt in seinem Glaubensbekenntnis dem schon ganz nahe. Zugleich damit erlischt für ihn die diffamierende Feststellung, daß „das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens böse sei von Jugend an“. Damit zerbricht er das Joch theokratischer Herrschaft.
 
Er kann die Liebe der Väterlichkeit dieses, seines Gottes, jederzeit hier auf der Erde anschaulich machen: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernähret sie doch“. Er tut das im direkten Vergleich mit Naturereignissen und in lebensnahen Gleichnissen: Im Gleichnis vom „Verlorenen Sohn“, „von den Arbeitern im Weinberg“, „dem Unkraut unter dem Weizen“, „dem Sämann“ mit den unterschiedlichen Äckern, dem „Barmherzigen Samariter“, um nur die stärksten Beispiele zu nennen, die Sie kennen. Allen ist gemeinsam: Die Liebe dieses Vatergottes in Gestalt bedingungslos geschenkten Lebens als Kindschaft allen Menschen 12
 
Damit will Jesus sagen, daß die frühisraelitische Weisheit schon erkannt hat, wie jeder Mensch sein Leben geschenkt erhält und bedingungslos seiner Selbstbestimmung übergeben, seinen Weg machen muß, unter Umständen bis hin zur Katastrophe. Das ist notwendig, damit er in der Verantwortlichkeit das große Gewicht erfährt, das sein Leben für sich und die Seinen hat. Dieses Gewicht ist das Liebeswerben dieses Geschenkes. Warnungen und Ratschläge die seinen Weg begleiten gehören noch auf diese Seite. Gesetze und Verordnungen einerseits und Versprechungen und Verlockungen andererseits gehören schon auf die Seite der menschenverachtenden Manipulation, weil sie dem Menschen so oder so seine Selbstbestimmung und Verantwortlichkeit abzukaufen versuchen. Das aber endet für den Menschen mit dem Verlust der Freude an sich selber: „Sie sahen, daß sie nackt waren und schämten sich.“
Jesus faßt die Selbstbestimmung in den Rat: „Was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch“. Nichts ist uns Menschen widerlicher als manipuliert zu werden.
 
Jesus versteht den Umgang seines Vatergottes mit seinen Kindern sonnenhaft - elterlich, nicht herrschaftlich. Elterliche Liebe sucht in eigener Selbstbeherrschung ihre Kinder in ihre Selbstbestimmung einzuüben, mit dem Ziel, daß sie eines Tages, ohne ihren Beistand in gleicher Weise willige und verantwortungsbewußte Mitglieder der Menschheit werden. Wenn es echte Liebe ist, bedient sie sich nicht des Zwangs oder der Verlockung, um zum Ziel zu kommen, wohl wissend, welchen Schaden sie damit bei der Erziehung des Kindes verursacht, wenn ihm nicht erlaubt ist, sein ei­genes Denken, sein Wählen, sein Entscheiden und Urteilen, mit einem Wort: seine Selbstbestimmung zu erproben, ihre Weite und ihre Grenze.
 
Herrschaftliche Liebe ist ein Unsinn. Mit der Liebe kann man nicht regieren, sagen sogar die Freunde der Liebe selber, unter Tränen. Aber fragt man: Kann einer sein Kind in der Liebe zur Liebe alles Lebendigen erziehen? Dann lautet die Antwort schon ganz anders. Natürlich kann man mit der Liebe nicht regieren, denn Liebe regiert nicht, sie liebt. Sie wartet zwar darauf, daß sie von dem Geliebten entdeckt wird! Dazu „.läßt sie ihre Sonne scheinen und Regen fallen“ auf alles Geliebte, sie gießt das Füllhorn des Lebens über alle Menschen aus. Sie will schöpferisch sein und wie Licht in der Finsternis. Jesus folgert: „Denn wenn ihr liebet, die euch lie­ben, was werdet ihr für Lohn haben? - Wenn Licht in Licht scheint! - Tun nicht das­selbe auch die Zöllner? Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Sonderliches? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? Darum sollt ihr voll­kommen sein, wie euer Vater im Himmel voll­kom­men ist!“ Unter seinem Gesichtspunkt war dies „vollkommen“ realistisch, war es doch einem Vaterbild abgelesen, das der Selbstbestimmung seines Kindes weiten Raum gab. Der sie ihm in weiser Selbstbeherrschung weder durch Gesetze noch durch Verlockungen abzukaufen willens war.
Damit findet er aber weder bei seinem Angehörigen, noch bei seinen Jüngern und erst recht nicht in der etablierten Gesellschaft von Juden und Heiden seiner Zeit ungeteiltes Verständnis. Die Ideologie der Monotheokratie beherrscht das Feld. Herrschaftlich dominierte Strukturen waren den Menschen auch damals schon zur zweiten Natur geworden. Er gilt in der Öffentlichkeit zunächst als weltfremder Weltverbesserer, bis klar wird, daß seine Botschaft vom Vatergott als die ursprünglichere und befreiende, die herrschende und unterjochende Religion des Herrgotts, ersetzen sollte. Darum wird er verurteilt und hingerichtet. Seine Jünger, fromme Juden , hatten sich nie den ganzen Ernst seines Vorgehens gegen die Volksreligion Israels zu eigen gemacht, hatten nie, selbst im Traum nicht, daran gedacht, daß er im Dienste seines Vatergottes die Axt in die Wurzeln des davididischen Traumes vom Gottesstaat schlug. So, wie wir Christen es auch heute noch nicht wahrhaben wollen. Diese Jünger machten sich aus dem Staube, als sie erkennen mußten, wie sehr sie ihn mißverstanden hatten, als sie ihm in der Hoffnung gefolgt waren, er könne der Messias sein. 
Der tote Jesus aber unterstrich, wie ernst es ihm mit seinem Angriff auf die Monotheokratie seines Volkes gewesen war. Damit waren ihre Illusionen über ihn und ihre Sympathien zu ihm restlos zerstört. Er war auch für sie einen Augenblick lang der Gotteslästerer, der „Allerverachtetste“. Als ihnen das bewußt wurde,. meldete sich der Messias des Jesaia zu Wort, der königliche und der prophetische. Sie hatten es ja ständig im Ohr dies: „Wir sahen ihn aber da war keine Gestalt, die uns gefallen hätte“ und „Wir hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre“. Wie Schuppen fiel es ihnen von den Augen.
 
Ohne Zweifel! Jesaia, noch als eine Einheit gelesen, spielt dabei eine Schlüsselrolle. Ein Prophet also machte diesen Jesus zum Christus . Theokratisches Denken - „Das Gesetz und die Propheten“ - hatte ihn wieder eingefangen. Da der Lebende offensichtlich lieber starb, als sich dem zu beugen, konnte man nur den Toten dazu zwingen.
 
Diese Sicht der Dinge findet in dem griechisch gebildeten Juden Paulus, den genialen theologischen Denker und zugleich Botschafter im Mittelmeerraum. Aus seiner Sicht werden dann auch die Evangelien geschrieben. Es sind erweiterte Kreuzigungsgeschichten, in denen die Erzähler gezwungen waren den ungeliebten Querdenker Jesus in seiner Kontroverse gegen „Gesetz und Propheten“, gegen den Tempel und das Priestertum, gegen seine Familie und gegen seine Jünger, kurzum gegen die Gottesstaatgläubigkeit seiner Zeit, nicht zu verschweigen. Weil gerade dies Unbehagen an ihm sie wieder, wie sie meinten, zu ihm zurück geführt und ihn mit der Volksfrömmigkeit versöhnt hatte. Der „Königsherrschaft Gottes“ des A.T.s fügten sie ohne Bedenken die „Königsherrschaft Gottes“ des N.T.s als Fortsetzung an.
 
Das tiefe Zerwürfnis Jesu mit der zeitgenössischen Frömmigkeit war für sie nun nur noch Ausdruck für das verborgene Handeln Gottes. Ganz im Sinne des theokratisch denkenden Deuterojesaias.
 
Wie einstens die Hofprediger Davids sich aus dem all zu menschlichen Vatergott der Väter einen himmlischen Herrgott schufen, vermeintlich die Liebe an die Regierung gebracht zu haben. So wandelt sich den Jüngern unter dem Druck der Propheten das irdische „Gottes Kind“ Jesus zum himmlischen Sohn Gottes zur Rechten auf dem Thron des Vaters. Auch hier von der Illusion getragen, die Liebe zur alles beherrschenden Macht erhoben zu haben. Aber Liebe liebt, sie kann nicht herrschen und Herrschaft herrscht, sie kann nicht lieben. Liebe ist das genaue Gegenteil von Herrschaft.
 
In der zeitgenössischen Literatur können Sie lesen : „So gab und gibt es kein Wort für Liebe. Wir mußten uns mit diesem Fremdwort behelfen. Kein Wort für Liebe in meiner Sprache, nur Hilfswörter gab es, die in die Irre führten. Wenn wir etwas sagen wollten, flüchteten wir uns in eine unserer Fremdsprachen und sagten : Liebe oder auch Glaube oder auch nur Hoffnung.“13
 
Das Problem des Todes Jesu ist erst dann richtig gesehen, wenn erkannt ist, daß Jesus sein Volk zu den Quellen seines Glaubens zurückrufen wollte, wo die elterlich- väterlich verstandene Liebe Gottes und das bedingungslos geschenkte Leben, dem Leben abgelesen, jeder Zeit vor Augen war und eines Gottesstaates mit einer Staatsideologie und eines Tempels oder einer Kirche nicht bedurfte, um diese Botschaft zu Wort kommen zu lassen oder zu konservieren. Unser Dasein auf dieser Erde, von Jesus als Kindschaft seines Vatergottes verstanden, war und ist das Liebeswerben mit dem wir es zu tun haben.
 
Nun stehen auch Sie, meine Zuhörer, nahezu leibhaftig vor diesem Jesus. Werden Sie mit Pilatus sagen: „Ich finde keine Schuld an ihm“ und ihn dann doch seinen Gegnern als Narren überlassen? Oder wollen auch Sie lieber den Verbrecher Barrabas am Leben sehen, der nur Ihre bürgerliche Ordnung bedroht, nicht Ihr Glaubensleben?
 
Seine Einladung, die Liebe des Lebens zu unserer Selbstbestimmung zu machen, war seine Botschaft. Das Leben als ein um Liebe werbendes Geschenk verstehend, ausschließlich nur der Geburt eines Kindes vergleichbar, ganz im Sinne des Jahwisten.
 
Das Neue Testament irrt sich, wenn es meint, das Liebeswerben Gottes erst in Jesu Tod recht sehen zu können. Es irrt sich vollends, wenn es meint, über Auferstehung und Himmelfahrt die „Königsherrschaft Gottes“ zur ewigen Königsherrschaft der Liebe gemacht zu haben. Sieht es nicht, daß es wiederum nur Herrschaft mit der Maske der Liebe versehen hat, wie das Alte Testament längst vor ihm den Herrgott und das Gesetz und die Propheten unter Gnade als Liebe in Umgang setzte? Die Kirchengeschichte entlarvt diese Selbsttäuschung mit einer Spur aus Antijudaismus, Kreuzzügen, Ketzer - und Hexen-Prozeßen und einem auch heute noch bestehenden schmerzlichen, kirchlichen „Willen ur Macht“. Es wird weiter der Herrgott gelehrt nach dem Motto: „Gott widersteht den Hoffärtigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.“ (1.Petr. ´5,5) und es wird weiter am Traum vom „Gottesstaat!“: festgehalten : „Es wird eine Herde und ein Hirte werden“ (Joh.10,16).
 
Nun stehen auch Sie unmittelbar dem Jesus von Nazareth gegenüber.
Nun sind auch Sie gefragt, ob Sie ihre Selbstbestimmung als Wille zum Gottesdienst oder im „Willen zur Liebe“ des Lebens sehen? Licht und Leben gehören unlöslich zusammen. - Das ist auch biblisch. - Das Leben als Produkt des Lichtes hat mit ihm gemeinsam die gigantische Macht und den gigantischen Willen, da zu sein, wo nichts ist, in höchster Vollendung als denkender Mensch.
 
Aber gerade der versagt sich dieser Macht und ihrem Willen zum Leben - im Gottesdienst. Plündert die in Jahrtausenden vom Licht der Sonne geschaffenen, dem Leben dienlichen Quellen, als wären sie unerschöpflich, vergiftet sich und seine Umwelt und muß sich darum von Nietzsche sagen lassen, er sei „dekadent“ und „Nihilist“. Seine Werteskala - Gehorsam und Glauben oben an - verliert sichtlich von Tag zu Tag ihre Autorität unter den Zeitgenossen. Der Traum von der Königsherrschaft Gottes verfliegt Das Netz aus Taufe, Trauung und Beerdigung, aus vorgefertigtem und eingeprägtem Glaubensgut und sonntäglicher Wiederholung zerreißt. Die engen Maschen von Morgen - Abend -und Tischgebeten fallen. Sonne und Erde melden sich wieder zu Wort als Lebensspender und . verläßliche Lebensträger. Dazu wird der Menschheit bewußt, daß sie auf dieser Erde als eine Familie lebt, die ihr Dasein bedingungslos geschenkt in Händen hält, wie die Stämme Israels einstens das Land am Jordan und wie ein Kind, das ins Leben tritt, gewarnt vor dem „Willen zur Macht“ und vor einem „Feindbild“, begrüßt mit dem einfachsten Verhaltens - Ratschlag: „Was du willst, daß dir die Leute tun sollen, das tu du ihnen auch.“
 
Werden wir, von herrschaftlichen Strukturen dominierten Menschen je noch einmal dahin zurück gelangen? Jesus hat auch daran gedacht und beschreibt den Vorgang dieser Rückkehr in seinem Gleichnis vom Verlorenen Sohn: Der ältere Sohn gerät, nachdem er das Vaterhaus verlassen hat, in die Abhängigkeit und das Elend derer, die mit dem Willen zur Macht Menschen versklaven. (Wir, die Menschen der jüdisch-christlichen Kultur sind bei den „Trebern der Schweine“ angelangt angesichts des Terrors der Fundamentalisten aller biblischen Konfessionen.) Der Hunger und das Elend bringen ihn auf den Heimweg, weil die dickbestrichenen Butterbrote der Tagelöhner im Hause des Vaters winken. (- Wir leben ständig bedroht von Katastrophe und sehnen uns nach Frieden und Geborgenheit, die uns verheißen sind -) Unterwegs überlegt er sich, was sein Vater wohl von ihm hören möchte, wenn er ihm gegenübertritt? (- Wir klagen uns an, zu wenig geglaubt, zu wenig gehofft und zu wenig geliebt zu haben. -) Dazu fragt er sich, was er noch an Fähigkeiten für eine Arbeit im Vaterhaus vorweisen könnte. (- Wir überschlagen unsere permanenten Gottesdienste und bieten uns weiter als Tagelöhner Gottes an -) Aber all das kommt gar nicht zur Sprache. Der Vater überrumpelt ihn mit der Freude über seine Rückkehr. Der Heimkehrer wird gefeiert, der Heimkehrer in und mit seinen Illusionen, denn er ist ein Mensch, ein „Herr“ seiner selbst, wie JHWH selber und kein „Tagelöhner“ JHWHs , der zwar im Willen zur Macht auszog, aber nun von ihm geheilt zurückkehrt.  Spätestens hier findet sich der Beweis dafür, daß Jesus den Jahwisten gekannt hat und dessen Definition von Liebe, als Verzicht auf Herrschaft über Menschen.
Was will der Erzähler damit sagen? Das Leben lebt nur weiter in solchen, die von dem Gewicht der Kindschaft dieses Vaters zu Herren ihrer selbst geprägt, selbstbestimmt und selstbeherrscht, sich ihrer Verantwortlichkeit bewußt, auf den Willen zur Macht über andere und auf Feindbilder von ihnen verzichten. Antiautoritäre Erziehung ist darum die sorgfältige Einführung und Einübung der Kinder in das Wissen um Liebe als Verzicht auf Herrschaft und um Herrschaft als menschenverachtende Manipulation.
Die Vergangenheit hat uns zu Tagelöhnern eines Gottes gemacht, der im Willen zur Macht die Welt, insbesondere die Menschen in ihr regiert. Werden wir in Zukunft den Menschen, dem gegenüber ein Gott auf den Willen zur Macht verzichtet, nicht länger daran hindern, gleich ihm, im Verzicht auf den Willen zur Macht und auf Feindbildern das Leben zu gestalten?
 
Belege
1) Damit hatten die frühisraelitischen Theologen das Problem Hegels und Les­sings bereits erkannt und gelöst. Lessing: "Zufällige Ge­schichts­wahr­heiten können der Beweis von not­wendigen Vernunftwahrheiten nie wer­den," und der Übergang, wodurch man auf eine geschichtliche Nach­richt eine ewige Se­ligkeit bauen will, ist ein "Sprung".(Lessing, Über den Beweis des Geistes und der Kraft , 1777).
 
2) 2. Kor.5,16
 
3) Eberhard Jüngel, Wertlose Wahrheit, München, 1990, S.215
„Der historische Jesus ist also mehr als unser derzeitiges historisches Wissen von ihm . Aber diesesPlus des historischen Jesus gegenüber unserem derzeitigen hist. Wissen von ihm gehört keineswegs bereits in die Dimension der dogmatischen Urteilsbildung. Es gehört viel mehr prinzipiell in den Bereich des historisch Erkennbaren und könnte z.B.durch neue Textfunde auch tatssächlich Gegenstand historischer Erkenntnnis werden.“
 
4) Jesaia 9,5; 63,16.
 
5) Dem aufmerksamen Leser muß es auffallen, daß in dem ersten Bericht das "Trocke­ne" aus dem Wasser geholt werden muß, während im zweiten Schö­pfungs­bericht erst mit dem Regen die Erde zum Lebensraum der Menschen wird.
Die Forschung hat nun auch sichergestellt, daß der erste Erzäh­ler in die sogen. "Priesterschrift" gehört und der zweite dem sogen. "Jahwisten" zuzurechnen ist.
 
6) Hugo Claus: Der Kummer von Flandern, München, 1991, S.625
 
7) G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd.1, München, 1957, S.21. Dort finden sich Ar­gu­mente für eine Übersetzung des Wortes JHWH mit "der, die, das lei­den­schaft­lich Liebende".
G. von Rad, Weisheit in Israel Neukirchen 1970 „Die Selbstoffenbarung der Schöpfung“ S. 189 - 228 „Nach der Meinung der Lehrer konnte sich Jahwe neben Priestern und Propheten noch eines ganz anderen Mediums bedienen, um die Menschen zu erreichen , nämlich der aus der Schöpfung ergehenden Stimme der Urordnung , und diesem Offenbarungsmittler galt das besondere Interesse der Weisen.“ S. 213.
 
8) Rainer Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentli­cher Zeit I, Göt­tingen 1992, S.131: "Der demokratische Grundzug der is­rae­li­ti­schen Gesel­lschaft und der antiherr­schaftliche Charakter ihrer Got­tesbeziehung fan­den in der po­pulistischen Form des Grußkultes ih­re angemessene Ent­spre­chung."
 
9) 3. Mose 19,18
 
10) Von Rad, Theologie des Alten Testamentes, Bd 1, München 1957, S. 27, Anmerkung 27: „Begrich hat gezeigt, daß der Bund an sich keine Forderung enthielt und daß eigentlich kein rechter Zusammenhang zwischen Bundesschluß und Gesetzge­bung besteht.“
  Das Weihnachtslied des Paul Gerhardt "Ich steh an deiner Krippen hier" enthält die Strophe: "Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden." Schöner kann die Einseitigkeit des „Bundes“ wohl kaum noch beschrieben werden. Dazu kommt, daß jedes Kind diesen Vers auch im Blick auf seine Eltern singen könnte.
 
11) Ludwig Köhler zu 1.Mose 1,28 :“Das ist der Auftrag zur Kultur. Er geht an alle Menschen; er umfaßt alle Zeiten; kein menschliches Tun, das nicht ihm unterstellt ist. Jener erste Mensch , der mit den Seinen auf schutzloser Steppe eisigem Wind ausgesetzt , ein paar Steine aufeinanderlegte und so die Mauer, die Grundlage aller Architektur erfand, erfüllte diesen Auftrag . Jene erste Frau, die einen harten Dorn oder eine Fischgräte durchbohrte und ein Stück Tiersehne hindurchzog, um ein paar Fetzen Fell aneinaderfügen zu können und die so die Nadel, das Nähen , den Anfang aller Kleiderkunst, erfand, erfüllte diesen Auftrag . Bis heute ist jede Unterweisung eines Kindes , jede Art von Schule , jede Schrift, jedes Buch , alle Technik, Forschung und Wissenschaft und Lehre mit ihren Methoden , ihren Instrumenten und Institutionen nichts anderes als die Erfüllung dieses Auftrags. Die ganze Geschichte alles menschliche Streben steht unter diesem Zeichen, unter diesem Bibelwort.
Das ist seine objektive Seite . Es gibt auch eine subjektive Seite . Jeder Mensch muß. das liegt unverlierbar in seiner Natur, mit dem Leben fertig werden .Er muß zu dem, was ihm widerfährt, sei es, daß ihm ein Stäubchen ins Auge weht, sei es, daß eine Wasserflut ihn und die Seinen am Leben bedräut, nichts ist zu klein und nichts ist zu groß, der Mensch muß mit ihm innerlich fertig zu werden suchen ......An der Art, wie ein Mensch innerlich mit den Dingen fertig wird, wird sein Wesen erkannt,“ Mensch 112 f. (Zitiert nach: Hans Walter Wolff „Anthropologie des A.T.s Kaiser München 1973 S.240 )
Dietrich Bonhoeffer geht so weit, daß er den Menschen anrät, ihr Tagewerk zu tun, "als ob es Gott nicht gäbe".
Harvey E.Cox: "Die Welt ist zu unserer Aufgabe geworden und in unsere Verantwortung gestellt." (Zitiert nach J.Sperna Weiland, Orientierung, Furcheverlag 1970.)
 
12)„Die Religion Jesu besitzt ihr vollständiges, einfachstes und tiefsinnigstes Glaubensbekenntnis, ihre erhabenste Apologie in dieser Parabel.“(Dem Gleichnis vom verlorenen Sohn) Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu , 2. Teil, S. 365, Tübingen 1910.
 
Unter dem Begriff 'patär' (Vater) ist im Theologischen Wörterbuch zum Neu­en Testament zu das Gott-König-Motiv bei Jesus ver­missen. Freilich bedarf es einer Erklärung, warum lesen: "Nur wenn man die pri­märe Bedeutung von Got­tesherrschaft verkürzt, wird man bei den Syn­op­ti­kern eine so spärliche Ver­wendung von basileus (König) für Gott vor­liegt"..."Das könig­liche Herrenwalten im Sinne der jetzt ein­grei­fen­den Heilszeit ist zugleich das väterliche Gnadenwalten"..."Die no­mis­tische Ein­engung der Begriffe 'Herr', 'König', 'Richter’ ist durch ihn (Jesus) beendet." Theologisches Wörterbuch zum Neuen Te­stament, Bd.5, S.996, Stuttgart
Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Joachim Jeremias, Die Gleichnisreden Je­su, Göttingen, 1988, S.20: "An eini­gen Stel­len wird in den Gleich­nis­sen auf Schriftworte Bezug genommen (Mk. 4,29.32; 12,1.9a.10 f. mit Parallelen; Matth. 25,31.46 vgl. Luk. 13,27.29). Die ohnehin auf­fäl­lig geringe Zahl der Belege schmilzt zusammen mit der Erkenntnis, daß von den zuletzt genannten vier Belegen aus Matthäus und Lukas min­des­tens drei, wenn nicht alle vier, sekundär sind. Darüber hi­naus müs­sen aber auch die übrigen fünf Belege angesichts des abwei­chenden Tat­bestandes im Thomas-Ev. überprüft werden."
Vgl. zudem auch: Ulrich Wilckens, "Die Überlieferungsge­schichte der Auf­erstehung Jesu", in: Schriftenreihe des Theo­logischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union, Gütersloh, 1966, S.52: Wilckens ver­weist dort auf die faktische Traditionslosigkeit Jesu, indem er sagt: "Er hat das endzeitli­che-zukünftige Gottesreich so einfältig als na­he, als die kon­krete Gegenwart jetzt und hier total bestimmend in An­spruch genommen, wie das, nach den Maßstäben jüdischer Tradition ge­urteilt, nur Gott selbst kann und darf. Er hat darum faktisch kei­nerlei Tradition sozusagen zur Deckung dieses unerhörten Anspruchs ge­brau­chen können; was das Gesetz, was die Väter sagen, war nicht die In­stanz, durch die er sich legitimiert hat - im Gegenteil, er hat zu­wei­len gegen ihre Stimme entschieden. Auf irgendwelche Inspiration hat er sich, der Überlieferung zufolge, nicht - jedenfalls nicht ent­schei­dend - berufen. Prie­sterliche Tradition gibt es gar nicht unter sei­nen Worten. Er hat über die bestehenden Autoritäten hinweg für sein Wirken die Autorität Gottes unerhört einfach in Anspruch ge­nom­men: und war doch nicht Gott selbst."
Ausführlich darüber: Ernst Käsemann in "Exegetische Versu­che und Besinnungen", Bd.1 Göttingen, 1960, S.187-197 und 199-214).
Goethe: „Warum denn immer böse oder gut! Müssen wir nicht mit uns selbst, so wie mit anderen, vorlieb nehmen, wie die Natur uns hat hervorbringen mögen, und wie sich jeder allenfalls durch eine mögliche Bildung besser zieht?“ ( In „Die guten Weiber“ Insel Verlag Leipzig 1905 Bd.1 S. 332).
 
13 Arnold Stadler: „Mein Hund, meine Sau, mein Leben.“ 1994 Residenzverlag, Salzburg und Wien, S.22.


1 Damit hatten die frühisraelitischen Theologen das Problem Hegels und Les­sings bereits erkannt und gelöst. Lessing: "Zufällige Ge­schichts­wahr­heiten können der Beweis von not­wendigen Vernunftwahrheiten nie wer­den," und der Übergang, wodurch man auf eine geschichtliche Nach­richt eine ewige Se­ligkeit bauen will, ist ein "Sprung".(Lessing, Über den Beweis des Geistes und der Kraft , 1777).
 
2 2. Kor.5,16
 
3 Eberhard Jüngel, Wertlose Wahrheit, München, 1990, S.215
„Der historische Jesus ist also mehr als unser derzeitiges historisches Wissen von ihm . Aber diesesPlus des historischen Jesus gegenüber unserem derzeitigen hist. Wissen von ihm gehört keineswegs bereits in die Dimension der dogmatischen Urteilsbildung. Es gehört viel mehr prinzipiell in den Bereich des historisch Erkennbaren und könnte z.B.durch neue Textfunde auch tatssächlich Gegenstand historischer Erkenntnnis werden.“
 
4 Jesaia 9,5; 63,16.
 
5 Dem aufmerksamen Leser muß es auffallen, daß in dem ersten Bericht das "Trocke­ne" aus dem Wasser geholt werden muß, während im zweiten Schö­pfungs­bericht erst mit dem Regen die Erde zum Lebensraum der Menschen wird.
Die Forschung hat nun auch sichergestellt, daß der erste Erzäh­ler in die sogen. "Priesterschrift" gehört und der zweite dem sogen. "Jahwisten" zuzurechnen ist.
 
6 Hugo Claus: Der Kummer von Flandern, München, 1991, S.625
 
7 G. von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd.1, München, 1957, S.21. Dort finden sich Ar­gu­mente für eine Übersetzung des Wortes JHWH mit "der, die, das lei­den­schaft­lich Liebende".
G. von Rad, Weisheit in Israel Neukirchen 1970 „Die Selbstoffenbarung der Schöpfung“ S. 189 - 228 „Nach der Meinung der Lehrer konnte sich Jahwe neben Priestern und Propheten noch eines ganz anderen Mediums bedienen, um die Menschen zu erreichen , nämlich der aus der Schöpfung ergehenden Stimme der Urordnung , und diesem Offenbarungsmittler galt das besondere Interesse der Weisen.“ S. 213.
 
8 Rainer Albertz, Religionsgeschichte Israels in alttestamentli­cher Zeit I, Göt­tingen 1992, S.131: "Der demokratische Grundzug der is­rae­li­ti­schen Gesel­lschaft und der antiherr­schaftliche Charakter ihrer Got­tesbeziehung fan­den in der po­pulistischen Form des Grußkultes ih­re angemessene Ent­spre­chung."
 
9 3. Mose 19,18
 
 
10 Von Rad, Theologie des Alten Testamentes, Bd 1, München 1957, S. 27, Anmerkung 27: „Begrich hat gezeigt, daß der Bund an sich keine Forderung enthielt und daß eigentlich kein rechter Zusammenhang zwischen Bundesschluß und Gesetzge­bung besteht.“
Das Weihnachtslied des Paul Gerhardt "Ich steh an deiner Krippen hier" enthält die Strophe: "Da ich noch nicht geboren war, da bist du mir geboren und hast mich dir zu eigen gar, eh ich dich kannt, erkoren. Eh ich durch deine Hand gemacht, da hast du schon bei dir bedacht, wie du mein wolltest werden." Schöner kann die Einseitigkeit des „Bundes“ wohl kaum noch beschrieben werden. Dazu kommt, daß jedes Kind diesen Vers auch im Blick auf seine Eltern singen könnte.
11 Ludwig Köhler zu 1.Mose 1,28 :“Das ist der Auftrag zur Kultur. Er geht an alle Menschen; er umfaßt alle Zeiten; kein menschliches Tun, das nicht ihm unterstellt ist. Jener erste Mensch , der mit den Seinen auf schutzloser Steppe eisigem Wind ausgesetzt , ein paar Steine aufeinanderlegte und so die Mauer, die Grundlage aller Architektur erfand, erfüllte diesen Auftrag . Jene erste Frau, die einen harten Dorn oder eine Fischgräte durchbohrte und ein Stück Tiersehne hindurchzog, um ein paar Fetzen Fell aneinaderfügen zu können und die so die Nadel, das Nähen , den Anfang aller Kleiderkunst, erfand, erfüllte diesen Auftrag . Bis heute ist jede Unterweisung eines Kindes , jede Art von Schule , jede Schrift, jedes Buch , alle Technik, Forschung und Wissenschaft und Lehre mit ihren Methoden , ihren Instrumenten und Institutionen nichts anderes als die Erfüllung dieses Auftrags. Die ganze Geschichte alles menschliche Streben steht unter diesem Zeichen, unter diesem Bibelwort.
Das ist seine objektive Seite . Es gibt auch eine subjektive Seite . Jeder Mensch muß. das liegt unverlierbar in seiner Natur, mit dem Leben fertig werden .Er muß zu dem, was ihm widerfährt, sei es, daß ihm ein Stäubchen ins Auge weht, sei es, daß eine Wasserflut ihn und die Seinen am Leben bedräut, nichts ist zu klein und nichts ist zu groß, der Mensch muß mit ihm innerlich fertig zu werden suchen ......An der Art, wie ein Mensch innerlich mit den Dingen fertig wird, wird sein Wesen erkannt,“ Mensch 112 f. (Zitiert nach: Hans Walter Wolff „Anthropologie des A.T.s Kaiser München 1973 S.240 )
Dietrich Bonhoeffer geht so weit, daß er den Menschen anrät, ihr Tagewerk zu tun, "als ob es Gott nicht gäbe".
Harvey E.Cox: "Die Welt ist zu unserer Aufgabe geworden und in unsere Verantwortung gestellt." (Zitiert nach J.Sperna Weiland, Orientierung, Furcheverlag 1970.)
 
12 )„Die Religion Jesu besitzt ihr vollständiges, einfachstes und tiefsinnigstes Glaubensbekenntnis, ihre erhabenste Apologie in dieser Parabel.“(Dem Gleichnis vom verlorenen Sohn) Jülicher, Die Gleichnisreden Jesu , 2. Teil, S. 365, Tübingen 1910.
 
Unter dem Begriff 'patär' (Vater) ist im Theologischen Wörterbuch zum Neu­en Testament zu das Gott-König-Motiv bei Jesus ver­missen. Freilich bedarf es einer Erklärung, warum lesen: "Nur wenn man die pri­märe Bedeutung von Got­tesherrschaft verkürzt, wird man bei den Syn­op­ti­kern eine so spärliche Ver­wendung von basileus (König) für Gott vor­liegt"..."Das könig­liche Herrenwalten im Sinne der jetzt ein­grei­fen­den Heilszeit ist zugleich das väterliche Gnadenwalten"..."Die no­mis­tische Ein­engung der Begriffe 'Herr', 'König', 'Richter’ ist durch ihn (Jesus) beendet." Theologisches Wörterbuch zum Neuen Te­stament, Bd.5, S.996, Stuttgart
Vgl. in diesem Zusammenhang auch: Joachim Jeremias, Die Gleichnisreden Je­su, Göttingen, 1988, S.20: "An eini­gen Stel­len wird in den Gleich­nis­sen auf Schriftworte Bezug genommen (Mk. 4,29.32; 12,1.9a.10 f. mit Parallelen; Matth. 25,31.46 vgl. Luk. 13,27.29). Die ohnehin auf­fäl­lig geringe Zahl der Belege schmilzt zusammen mit der Erkenntnis, daß von den zuletzt genannten vier Belegen aus Matthäus und Lukas min­des­tens drei, wenn nicht alle vier, sekundär sind. Darüber hi­naus müs­sen aber auch die übrigen fünf Belege angesichts des abwei­chenden Tat­bestandes im Thomas-Ev. überprüft werden."
Vgl. zudem auch: Ulrich Wilckens, "Die Überlieferungsge­schichte der Auf­erstehung Jesu", in: Schriftenreihe des Theo­logischen Ausschusses der Evangelischen Kirche der Union, Gütersloh, 1966, S.52: Wilckens ver­weist dort auf die faktische Traditionslosigkeit Jesu, indem er sagt: "Er hat das endzeitli­che-zukünftige Gottesreich so einfältig als na­he, als die kon­krete Gegenwart jetzt und hier total bestimmend in An­spruch genommen, wie das, nach den Maßstäben jüdischer Tradition ge­urteilt, nur Gott selbst kann und darf. Er hat darum faktisch kei­nerlei Tradition sozusagen zur Deckung dieses unerhörten Anspruchs ge­brau­chen können; was das Gesetz, was die Väter sagen, war nicht die In­stanz, durch die er sich legitimiert hat - im Gegenteil, er hat zu­wei­len gegen ihre Stimme entschieden. Auf irgendwelche Inspiration hat er sich, der Überlieferung zufolge, nicht - jedenfalls nicht ent­schei­dend - berufen. Prie­sterliche Tradition gibt es gar nicht unter sei­nen Worten. Er hat über die bestehenden Autoritäten hinweg für sein Wirken die Autorität Gottes unerhört einfach in Anspruch ge­nom­men: und war doch nicht Gott selbst."
Ausführlich darüber: Ernst Käsemann in "Exegetische Versu­che und Besinnungen", Bd.1 Göttingen, 1960, S.187-197 und 199-214).
Goethe: „Warum denn immer böse oder gut! Müssen wir nicht mit uns selbst, so wie mit anderen, vorlieb nehmen, wie die Natur uns hat hervorbringen mögen, und wie sich jeder allenfalls durch eine mögliche Bildung besser zieht?“ ( In „Die guten Weiber“ Insel Verlag Leipzig 1905 Bd.1 S. 332).
 
13 Arnold Stadler: „Mein Hund, meine Sau, mein Leben.“ 1994 Residenzverlag, Salzburg und Wien, S.22.
 

Zur Anfangsseite