Otto Wilhelmy

Die dem Menschen geschenkten Leben der Bibel. (2002)


1. Die Grundlage alles biblischen Denkens und Schreibens ist die Landnahme der Stämme Israels.
Sie vollzog sich in einem längeren Zeitraum und wird erst von ihrem Ende her episch, summarisch für die Geschichtsschreibung erfassbar( Exodus). Die Vorgeschichte wird konstruiert und beginnt mit der Erschaffung des Lebensraumes für Mensch und Tier, analog der Landnahme als Geschenk des Lebens an die Menschheit. Dazu dienen die beiden unterschiedlichen Darstellungen der Schöpfung (Genesis 1 u.2.) am Anfang der Bibel.
 
Dabei wird dem Menschen in der ersten (Genesis 1) eine nicht näher bestimmte „Gottebenbildlichkeit“ zugeschrieben, die ihm offensichtlich ganz eng mit dem Schöpfer in Verbindung setzen soll: Der Mensch als Stellvertreter Gottes auf Erden, mit allen Vorrechten des Stärkeren über alles Leben auf der Erde. Die Frage, ob das auch für die Menschen im Umgang mit Menschen gelte, wird offen gelassen. Das ist die urmonotheistische Vorgabe für die Darstellung des Exodus (das 2.Buch Moses.): Der Herrgott (El u. Eloihm) führt mit starker Hand sein Volk aus ägyptischer Versklavung in die Freiheit.
Er muss es dazu nötigen und immer wieder seine Übermacht über alle Hindernisse unter Beweis stellen. Bis er am Sinai aller Enttäuschung zum Trotz ihm sein „Gesetz“ aushändigt und es dann lustlos in die Freiheit gelangen lässt. Es ist ein Loblied auf die Allmacht und die Geduld Gottes mit den Menschen, den Ägyptern und mit Israel. Die Erzählung trägt damit bereits der Doppeltgesichtigkeit ihres Gottes Rechnung. Aber auch sie lässt die Frage offen, ob des Menschen Herrschaft über die Erde auch Herrschaft über den Mitmenschen beinhaltet.
 
Das veranlasste den Erzähler der zweiten Schöpfungsdarstellung sich diesem Problem zuzuwenden. (Im Unterschied zum Erzähler der ersten Schöpfungsgeschichte, der „Priesterschrift“, gebraucht er als Namen für seinen spiritus rector das sogenannte. Vierbuchstabenwort JHWH.. Von da her hat der Erzähler den Namen „Jahwist“.)
 

I. Das Geschenk des Lebens an den Menschen, als Geschenk der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit,“JHWH- ebenbildlich“.

Sein Versuch, die „Gottebenbildlichkeit“ zu deuten, stellt den Schöpfer nicht als wortgewaltigen Herrscher dem Chaos gegenüber und als den der mit allmächtiger Hand die Dinge so gestaltet, wie er es will, sondern als Handwerker auf den gleichen Boden, auf dem seine Menschen stehen werden. Seine Tätigkeit als Schöpfer ist die eines Töpfers mit besonderer Vorliebe für den Menschen, um dessen „Gottebenbildlichkeit“ es dem Erzähler geht. Sein Material ist Erde. Seine Überlegungen sind für uns Menschen nachvollziehbar, als er die Eva davor bewahrt die Nummer 2 in seiner Schöpfung zu werden und sie als „Gehilfin“ Adams bestimmt. Der Lebensraum für seine Menschen ist ein Garten voller Bäumen, von denen sie in aller Freiheit nach Belieben essen dürfen; die Sonnenseite des Lebens.
Sich selbst versteht der Schöpfer des Erzählers irdisch väterlich. Das kommt in der Warnung zum Ausdruck, die er den Menschen mit auf den Weg gibt. Diese Warnung setzt eine intellektuelle Verständigung zwischen Schöpfer und Geschöpf voraus.
Es ist die Warnung vor dem Tierischen in ihm, das instinktiv alles Leben, auf das es stößt, danach als „gut“ oder „böse“ beurteilt, ob es ihm zuträglich oder abträglich ist. Die Folge dieses tierischen Ansatzes im Umgang mit dem Leben ist sein instinktive Gewaltbereitschaft gegenüber dem Schwächeren und sein Täuschungsbedürfnis gegenüber dem Stärkeren in der Natur. Sollten Gewalt und Täuschung auch für die Menschen im Umgang mit einander die dominierenden Verhaltensweisen sein? Unmöglich bei einem solchen Schöpfer, der seine Menschen ja gerade von seinen Tieren abheben und sich selbst als Urbild des Menschen in seinen Menschen „vollkommen“(Matth.5,28.) vervielfältigen will, indem er ihnen menschlich gegenübertritt und ihnen auch seine Intelligenz zuteil werden lässt, die ihnen ermöglicht, selbstbeherrscht zu entscheiden zwischen der Nähe zum Tier und der Nähe zu JHWH.
 
Der „Schöpfer“ unseres Erzählers versteht die „Gottebenbildlichkeit“ aus Gen.1 nicht als Ermächtigung des Menschen zu göttlicher Allmacht (Gewalt) über Mensch und Tier. Der Mensch ist für ihn ein ebenbürtiger Partner, Gehilfe , mit dem er es zu tun haben will. Damit hat er seine Rolle in diesem Beieinander von Schöpfer und Mensch in Analogie zur menschlichen Vaterschaft bestimmt (G. von Rad, Weisheit in Israel Neukirchen 1970 „Die Selbstoffenbarung der Schöpfung“ S. 189 - 228  „Nach der Meinung der Lehrer konnte sich Jahwe neben Priestern und Propheten noch eines ganz anderen Mediums bedienen, um die Menschen zu erreichen, nämlich der aus der Schöpfung ergehenden Stimme der Urordnung, und diesem Offenbarungsmittler galt das besondere Interesse der Weisen.“ S. 213 ) und seinem Geschöpf alle seine Fähigkeiten mitgegeben, als er ihm den Odem des Lebens einhauchte. Diesem Geschöpf wollte er zu einem besonderen Leben behilflich sein und es in ihm vervielfältigen. Dazu gehörte auch die Intelligenz, Einsicht zu nehmen in alle Zusammenhänge des Lebens. Mit anderen Worten: „von allen Bäumen im Garten essen zu dürfen“, nur nicht von dem einen: Hüte dich vor dem Tier in dir, das instinktiv lebt und nicht viel mehr vom Leben weiß als Fressen (Gewalt über Schwächeres), Fortpflanzen und Gefressenwerden oder Verenden. Sei ein Mensch, dem Leben geschenkt, mit dem Selbstbewusstsein im Siegeszug des Lebens gegen das Leblose zur Speerspitze zu gehören und in Gemeinschaft mit Sonne und Erde dem Leben selbst schöpferisch dienlich sein zu können. Der Schöpfer des Erzählers hat sich seinen Menschen nicht aus einer Idee von ihm konstruiert, sondern den damals wie heute vorhandenen, Tier und Mensch in sich vereinigenden, zum Objekt seines Handelns genommen.
Fragt man den Erzähler in welche Richtung er seine Warnung aussprechen zu müssen meint, dann antwortet er: Als schärfsten Protest gegen das tierische, monotheistische Gottesbild der Schlange, in dem die Priorität der Gewalt in der „Gottebenbildlichkeit“ auch als dem Menschen zugedacht verstanden wird.
Die Schlange: In ihr bringt der Erzähler jetzt auch das Tier zur Sprache. Als Sprecherin der menschenfeindlichen Tierwelt weckt sie in den  Menschen den Verdacht, JHWH wolle mit besagter Warnung die Krönung des Menschen mit göttlicher Gewalt wieder zurücknehmen. Damit treibt sie die Erzählung auf ihre Spitze: Sie erreicht mit ihrer verfälschten Fragestellung das berechtigte Verlangen der Menschen, die Wahrheit zu erfahren und den Zugriff nach der Frucht. Sie erreicht aber nicht das angekündigte Ende dieses Feindes; wohl aber dessen Erkenntnis, dass er im Unterschied zu den Tieren nackt ist und nicht wie diese ein Fell oder ein Federkleid trägt.
Was ist diese Erzählung nun? Eine Warnung an die Menschheit vor dem Rückfall ins Tierische oder der Bericht von einem einmaligen, nie mehr wieder gut zu machenden Ereignis im Leben der Menschheit, ihre Todesstunde? (Hegel und Lessing antworten auf unserer Frage mit ihrer lapidaren Erkenntnis: „Zufällige geschichtliche Wahr­heiten können nie ein Beweis für ewige Vernunfts­wahrheiten werden.".)
An dieser Frage schieden sich schon zur Zeit des Erzählers die Geister in Israel. Sie erschwerte ihm die Entscheidung, als es vor der Frage stand, ob es nun, nachdem die Stämme zu einem Volk geworden waren, zusätzlich zum JHWH auch einen irdischen König brauche, wie die Großmächte ringsum, denn ihr JHWH war kein Herrscher.
 

2. Das Wort „Gott“ in „Gott- Ebenbildlichkeit“ deckte sich, wie sich hier zeigt, immer schon mit dem monotheistischen Gottesbild, dem Monopol einer theokratischen Diktatur über den Menschen und in der falsch verstandenen „Gottebenbildlichkeit“ auch der Diktatur von Menschen über Menschen.
JHWH hier, der Schöpfer“ (Creator) und der „Gott“ dort sind wie Feuer und Wasser, wie Freiheit und Versklavung. Luthers Einebnung der verschiedenen Gottesnamen bei der Bibelübersetzung auf ein „Gott der Herr“ hat noch einmal den Zugang zum JHWH der Frühzeit Israels verschüttet .

3.Der Analogie entsprechend, kommt hier für den jahwistischen spiritus rektor Elterliches und der Zeit entsprechend, nur Väterliches (zum Leben Behilfliches) in Frage.

4. Sein Verhalten als Liebeswerben gedeutet, führt zu dem Namen JHWH  („Der leidenschaftlich Liebende“ - Vater ). ( von Rad, Theologie des Alten Testaments, Bd.1, München, 1957, S.21 Dort finden sich Ar­gu­mente für eine Übersetzung des Wortes JHWH mit „der, die, das  lei­den­schaft­lich Liebende“)

5. In dieser Analogie zur Geburt eines Kindes hat auch die eigentümliche Einseitigkeit des „Bundes“ JHWHs mit Israel seine Quelle. Wie das einem Kinde geschenkte Leben bar aller eigensüchtigen Hintergedanken der Eltern sein sollte, so einseitig verstand Israel am Anfang auch den Bund JHWHs mit Abraham und den Vätern.
 

6. In der Erzählung von Kain und Abel wird dieser einseitige Umgang JHWHs mit seinen Auserwählten zur Darstellung gebracht. Die Stämme Israels, die Halbnomaden in der Reichweite des mächtigen Ägyptens, hatten die Übermacht eines Starken zu spüren bekommen, der sie, je nach Lage der Dinge, zur Sanierung seines Viehbestandes ins Land holte oder sie, nach getaner Arbeit, als lästige Fremde versklavte und aus Furcht vor einer Überfremdung durch sie, ihre Fortpflanzung unterband und sie davonjagte. Für diese Stämme war Herrschaft ein Horror. Ihre Weltanschauung krönte die Freiheit. So erzählen sie in der Geschichte von Kain und Abel ihre eigenen Erfahrungen bei ihrer Einwanderung in kanaanitisches Gebiet. Beide der Landwirt und sie, die Nomaden leben vom Leben, das ihnen die Erde gewährt. Der Landwirt hat ein Stück dieser Erde in Besitz und Kultur genommen und lebt nun vom Erhalt dieses Lebensbezirks und seinen Erträgen. Die Folge ist, dass ihm das Verhalten der Nomaden, die ihre Herden von Weideplatz zu Weideplatz treiben, ohne den Wunsch, sesshaft zu werden, gründlich zuwider ist und zu tiefst als Feindschaft verstanden wird. Israels Weisheit versuchte das Geheimnis des Zusammenlebens solcher so unterschiedlich von einander denkender Menschen in Freiheit und Frieden zu ergründen. Sie fanden es darin, dass ihr JHWH, der Starke, in der Gestalt Abels ( „Hauch“ ) die Nomaden, die Schwachen zu seinen „Erwählten“ und sich zu ihrem Gehilfen machte, allen, auch damals schon vorhandenen, Vorurteilen gegenüber dem Schwächeren zum Trotz. Mit dieser Vorbildlichkeit lud er den Starken ein, es ihm gleichzutun. An die Stelle der herrschaftlichen Forderung bei der Einflussnahme auf Kain setzt der Erzähler das zwanglose Vorbild des Einflussnehmenden. Er will die selbstbestimmte Zustimmung des Angesprochenen wecken, das „Ich will auch meines Bruders Gehilfe sein“! Aber vergeblich, denn auch das dem Erzähler zur Verfügung stehende Menschenbild in der Gestalt Kains akzeptiert nur das instinktive Wohlwollen zu den Etablierten, die Priorität der Macht. Erst nach der Tat gesteht Kain ein, mit dem Mord an seinem Bruder auch sein eigenes Todesurteil gesprochen zu haben, gemäß dem „moralischen Gesetz in uns“ „Was du nicht willst, das man dir tu. Das füg’ auch keinem anderen zu!“.
 
7. Dem Menschen gilt das Liebeswerben dieses JHWH. Er will sich in ihm „vollkommen“ vervielfältigen. Wie die Menschen sich in ihren Kindern zu vollkommenen Menschen vervielfältigen: „JHWH-ebenbildlich“!
 
8. Der Mensch ist demnach - es mag ungeheuerlich klingen - selber ein JHWH, ein zu schöpferischem Tun befähigtes Wesen, selbstbeherrscht; fähig ohne den Willen zur Macht über andere Menschen und ohne Feindbild von ihnen. zu leben; im Mitmenschen immer den Hilfsbedürftigen sehend, seinem Schöpfer gleich. Was nicht mit dem vorhandenen Einverständnis dieser Mitmenschen geht, zerstört das Zusammenleben. So ist Herrschaft dem unbändigen Freiheitswillen des Menschen und dessen Wächter, seiner Intelligenz, von Anfang an verdächtig und weckt den Protest. Wo Herrschaft sich mit Hilfsbereitschaft paaren zu können meint, wie im Patriarchat, sollten die Alarmglocken schrillen, denn das ist eine Falle der Herrschaft mit dem Köder des Wohlwollens.
 
9. Um 1000 v. Chr.: Die Stämme Israels wählen, höchst verunsichert von dem Gedanken ihren JHWH damit aufs höchste zu verletzen, einen König in Analogie zu der Herrschaftsform der umliegenden Großmächte. Diese ist animalischen Ursprungs und im Prinzip monotheistisch.
 
Exkurs: Animalisch = Rudelinstinkt unter Führung eines Leittieres. In jedem einzelnen Tier wohnt ein unbändiger Freiheitswillen. Im Schutz des Rudels muss es darauf verzichten. Dem entspricht auf menschlicher Seite die Burg der Gesellschaft. In dieser Burg muss Burgfrieden herrschen, soll der Schutz nicht aufs Spiel gesetzt werden. ( Familie, Stamm, Volk, Fraktionszwang, Parteidisziplin, Nationalismus, Konfessionalismus ). Es werden „gemeinsame Nenner“ ( „ lasst uns einen Namen machen“, Turm zu Babel) gesucht, unter denen sich die Angehörigen der jeweiligen Gruppe des Schutzes wegen einig sind (christlich, evangelisch, katholisch, usw. Rasse, Blut und Boden, die Diktatur des Proletariates usw.).
Das Schutzbedürfnis setzt diesen, die Gesellschaft einigenden Nenner, ganz spontan. - Der Herrgott, so sagen die drei Religionen biblischen Ursprungs bis jetzt bei uns und meinen damit die biblische Ethik des Herrgott-Monotheismus: „Das Gesetz“,: den Dekalog (die 1.Tafel mit der Gottesdienstordnug ist erst im Nachhinein vor die 2.Tafel, der Schutzweisheit des Lebens der Menschen gestellt).
Die Evolution hingegen, diese gewaltige, natürliche Freiheit des Lebens ins Leblose unbehindert eindringen zu können, bestimmt die Grundtendenz seiner Expansion als sieghaftes Vordringen des Lebens ins Leblose bis hin zum Menschen und seiner Intelligenz. In ihr hatte sie dann nach unendlich vielen kleinen Schritten so etwas wie einen Terminal des Lebens entwickelt, der das Zeug hat, dem Leben nun auch logistisch dienlich zu sein. Sie stimmt da mit der jahwistischen Auffassung von der -JHWH-Ebenbildlichkeit“ des Menschen überein. 
Die Gründe für die Schutzweisheit der Evolution (2 .Tafel des Dekalogs) sind der Intelligenz des Menschen zugänglich und darum Gemeingut aller Schutzsuchenden und keinem Zweifel und keinem Widerspruch ausgesetzt. Darum entsteht darüber kein Streit.( „Das Moralische in mir“.) Die Gottesdienstordnung des Monotheismus (Die 1.Tafel des Dekalogs ist die Apotheose des der Tierwelt entnommenen Willens zur Macht.) ist nicht einsichtig zu machen. Darum ist sie der Intelligenz des Menschen - als dem Wächter seines unbändigen Freiheitswillens - von vorneherein verdächtig und dem  Zweifel und dem Widerspruch des Menschen ausgeliefert.

II. Das Gnadengeschenk des Lebens an den Menschen seitens des monotheistischen Imperialismus unter der Thora.

10. Unter David kommt die Bundeslade mit den beiden Gesetzestafeln in die Betreuung der Stämme Judas und Benjamins. Als Hüter des Gesetzes erheben diese einen Vormachtanspruch an den Stämmeverbund.
 

11. David gelingt diese Konzentration um die Bundeslade. Nun stellt sich die Frage nach der Rolle JHWHs des väterlichen, herrschaftsfeindlichen Befreiers und der Gott-Ebenbildlichkeit des Menschen unausweichlich! Dort, in der Bundeslade schlummerte nun auch die 1. Tafel des Dekalogs mit dieser unmissverständlichen Forderung nach der Priorität der Macht. Die Stämme Israels standen vor der Entscheidung. War die Erzählung vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen eine Warnung an die Menschheit vor dem Zugriff nach der tierischen Priorität der Macht und ihr Griff nach ihrem Todesurteil? Oder war es ein fundamentales Ereignis in der Geschichte der Menschheit, das ihr Ende besiegelte. So gelesen, ist in der Tat mit dem Zugriff nach der Frucht des Baumes das jahwistische Leben des Menschen einschließlich seiner Intelligenz als misslungen abgetan. Das vorhandene Leben kann darum nicht mehr paradiesisch, sonder nur noch der Herrschaft des Todes unterworfen sein. Das musste, wie das Paradiesische zuvor, dem Leser am Leben einsichtig gemacht werden. Das geschieht im Text der Bibel in der Darstellung der Schattenseiten des Lebens, des Fluches über das Verhältnis von Weib und Schlange, des Fluches über das Leben der Frau und dem des Mannes und dem Todesurteil, das über allem Leben liegt (1.Mos.3, 14 - 19).

Geht der Mensch auf diese Sicht der Dinge ein, dann erhebt sich die Frage: Warum ist nicht längst schon alles menschliche Leben auf dieser Erde zu Ende - „an dem Tage, an dem du von ihm issest, musst du des Todes sterben“(1.Mose 2,17).
Die Antwort der Erzähler lautet jetzt: Weil das Leben nicht mehr das Geschenk eines herrschaftsfeindlichen Vaters, sondern das eines gnädigen Herrn ist, der dem Menschen im Augenblick seiner Hinrichtung das Leben neu schenkt, wenn er sich dem „Gesetz“ dieses Gottes unter Verzicht auf seine Intelligenz total unterwirft und damit aufhört, ein „Gottloser“ zu sein. Was so aussieht, wie der gewaltsame Griff eines Retters, der einen Mitmenschen im letzten Augenblick der Todesgefahr entreißt, ist in Wahrheit die Zurückstufung des Menschen in die totale Herrschaft des Monotheismus. Die Intelligenz des Menschen wird beseitigt und durch das herrschaftliche Gesetz Gottes ersetzt. Der Monotheismus der Bibel weiß, dass sich der Mensch nicht unter das „Gesetz“ zwingen lässt Er vollzieht seine Absicht unter dem Deckmantel der „Gnade“, bewusst sie als einen Akt der Barmherzigkeit erscheinen zu lassen. Das tierische Jagen nach der Regel: „divide et impera“ spaltete die Adressaten in solche, die diese List nicht durchschauten und sich dem „Gesetz“ unterwarfen und die anderen, die Intelligenten, die sich ihre Freiheit vom Gottesdienst bewahrten. Das machte die beiden zu Erzfeinden.
Das Resultat dieses Vorgangs ist der Gottesdienst nach Psalm 1 und das „Extra ecclesiam nulla salus.“ (außerhalb der Kirche gibt es kein Heil). „Tertium non datur“ (ein Drittes gibt es nicht). Der Monotheismus spricht allen Gottlosen das Leben ab und rechtfertigt damit seine Arroganz und sein gewalttätiges Vorgehen gegen die „gottlose“ Menschheit. Diese Deutung der Schöpfungsgeschichte hat sich bis auf den heutigen Tag durchzusetzen vermocht. So wurde der „Gottlose“ zum Inbegriff alles Bösen.
 

12. Was ist, bei dieser Umdeutung des geschenkten Lebens, aus der Väter Vatergott, diesem anderen, herrschaftsfeindlichen JHWH geworden? Ihn zu beseitigen, hat man nicht gewagt. Hatte doch schon der „Exodus“ diesen Herrgott mit zwei Gesichtern dargestellt, mit seiner Allmacht und in ihr auch Geduld. Was lag da näher als die Vereinigung des JHWH mit dem ADON zu einer Einheit?. Man las hinfort dieses JHWH, wo immer es in einem Text stand, als ADONAI „mein Herr“. Es sei hier noch einmal daran erinnert, dass Luther bei der Übersetzung der Bibel diese wichtige, namentliche Unterscheidung gelöscht hat, indem er einheitlich nur noch vom „ Gott dem HERRN“ redet und damit den tiefen Einschnitt vom JHWH zum ADONAI vergessen macht.
Der Gipfel dieser Mésalliance von Liebe und Herrschaft war das Unwort „Patriarchat“, mit dem der Monotheismus das Prinzip des tierischen Rudelinstinktes aufnahm und damit Herrschaft als Wohltat und Freiheit als Anarchie erscheinen ließ.
 

13. Die ursprüngliche, uralte und allgemein anerkannte Schutzweisheit des Lebens in Gestalt der Warnungen vor dem Zugriff auf das Leben und den Besitz eines Mitmenschen wird von ihrem dominierenden Platz verbannt und auf die 2.Tafel des Dekalogs gesetzt und so der Gottesdienstordnung und der Herrschaft des „Gesetzes“ der Vorrang gegeben.
 
14. Unter Salomo wird der Tempel gebaut und in ihm der Bundeslade mit den beiden Gesetzestafeln für alle Zeiten ein fester Platz zugewiesen und ein Gottesdienst, in dem das ganze Leben diesem Herrn und seinem „Gesetz“ unterworfen ist (Psalm 1). Die unausbleiblichen Fehlleistungen im täglichen Leben der Menschen werden durch Opfer gesühnt.
 
15.Der Herrgott-Monotheismus hat sein Netz über die Stämme Israels geworfen.
 
16. Dem verweigern sich nach dem Tode Salomos zehn der zwölf Stämme. Sie erwehren sich des Zugriffs auf ihre freiheitliche Ebenbürtigkeit. Es ist die Geburtstunde des Antimonotheismus´ und des Protestes gegen das monotheistische Netzwerk des Gesetzes in dem totalen Zugriff auf das Leben des Menschen.
 
17. Weder dem einen noch dem anderen der beiden Reiche bleibt in der Folgezeit der harte Zugriff des Willens zur Macht der Großmächte ihrer Umgebung erspart.
 
18. Unter römischer Herrschaft tritt dieser Jesus von Nazareth auf.
 
19. Er entdeckt die Unvereinbarkeit JHWHs mit dem davidischen ADON und dessen totalen Zugriffs auf den Menschen durch das Gesetz.

20. Jesus verweigert sich, unter Berufung auf den „Vatergott der Väter“, diesem Gottesdienst und dem Ansinnen, Messias zu sein.
 
21. Er lebt „vollkommen“ den Menschen, in den nach Meinung des jahwistischen Erzählers JHWH sich vervielfältigen wollte, nicht als Gottesdienstler („Tagelöhner“), sondern als „Kind“ ganz und gar ohne Herrschaftsanspruch, aber auch ohne die scharfen religiös begründeten Ausgrenzungen des Sozialverhaltens der Juden seiner Zeit. Das war ein vernichtender Angriff auf das „Gesetz und die Propheten“, auf die Priorität der Macht. Darum musste er sterben. (Siehe mein Essay über den hist. Jesus)
 
22. Das „Gesetz und die Propheten“(Jes.53) bemächtigen sich in den Herzen seiner Jünger des Toten und bekommen so seinen Vatergott wieder unter das Dach des
Patriarchates.
 
23. In dem Volk des ersten Monotheismus entsteht ein zweiter, nahezu identischer Monotheismus mit Messias.
 
24. Diese Verbindung Jesu mit Jes.53 war und ist für die Juden ein tödlicher Affront. Darum suchten sie diese Bewegung im Keim zu ersticken.
 
25. Die Römer entledigen sich im Jahre 135 der damaligen Aufsässigkeit Israels mit seiner Ausweisung aus Palästina. Die Trennung von Jerusalem bedeutet auch das Ende des Tempelgottesdienstes. Erst unter dem Schutz der Engländer 1917/18 durften Israelis wieder palästinensischen Boden betreten.
 

III. Das Gnadengeschenk des Lebens an den Menschen seitens des monotheistischen Imperialismus unter dem Glauben an das Evangelium.

26. Das Christentum erobert mit dem griechisch gebildeten Apostel Paulus in Windeseile den Raum ums Mittelmeer. Es geht ihm als Juden um die Rechtfertigung des „gottlosen“ Menschen vor Gott. Die Antwort nach Psalm 1 lautet: Nur dann, wenn der Gottlose „redet von seinem Gesetz Tag und Nacht“, ist er vor Gott gerecht. Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt aber im Lichte von Jes.53 sagt etwas völlig Neues: Er, der ADON Israels bringt einen unschuldigen Propheten zum Opfer für seine gottlose Menschheit und entbindet sie damit vom eigenen Bemühen um ihre „Gerechtigkeit“, „Geschenktes Leben“, geschenkte Freiheit. In der Tat, das ist die befreiende Liebe, die der Jahwist und der Jesus von Nazareth vor Augen hatten. Aber - das hat Paulus begriffen - diese Botschaft verlangte von ihren Zuhörern etwas Anderes als Gehorsam gegenüber dem „Gesetz“. Sie verlangte den „Glauben“, denn das Handeln des ADON Israels hatte den Gehorsam der Menschen und damit den Gottesdienst unnötig gemacht, indem er selber seine Menschen vor sich rechtfertigte und ihnen ihr eigenes Bemühen in dieser Sache ersparte. So sieht Paulus sich berechtigt, in das Glaubensbekenntnis des israelitischen Monotheismus, in den 1.Psalm, an die Stelle der Worte: „und redet von seinem Gesetz Tag und Nacht“, die Worte zu setzen „und redet vom Glauben an das Evangelium Tag und Nacht“. Ohne aber die Diffamierung des „Gottlosen“ zu beseitigen, die mit dem Evangelium ja auch aufgehoben war. Diese Fehlleistung des Paulus machte aus dem Imperativ des israelitischen Monotheismus den Imperativ des christlichen Monotheismus. Obwohl das „Evangelium“ als solches die Befreiung von allem Gottesdienst enthält. (Vergl. Luk.15,21 ff.)
Der schroffste Gegensatz der Christen zu den Juden bestand im Gottesbild: Herrgott, Vatergott und nun auch noch Gottes Sohn? Diese Frage beantwortete man mit dem Schlüssel des Paulus, mit dem er sich seinen Christus erschlossen hatte „nach der Schrift“ ( 1.Kor. 15 ). Man hatte Vater und Sohn und fand nun auch noch bei den Propheten den Heiligen Geist verheißen. Damit hatte man auf simpelste Weise das „trinitarische“ Dogma. Ausgerüstet mit dem Bewusstsein, alleine alles Heil der Welt zu besitzen, eroberte und missionierte das monotheistische Christentum mit Hilfe der römischen Kaiser und ihrer Sympathie für diesen Machtzuwachs, das „gottlose“ Europa bis in seinen hohen Norden.
 

IV. Das Geschenk des Lebens seitens des HERR-Gottes in lebenslangem Gottesdienstes unter der Anleitung des Koran

27. Um 600 kommt dann mit Mohamed die dritte Variante des biblischen Monotheismus ins Spiel und erobert das „Heilige Land“, der Christen und der Juden geistliche Heimat.

28. Um das Jahr 1000 versuchen die Christen in 6 bis 7 Kreuzzügen dieses dem Islam wieder zu entreißen, ohne bleibendem Erfolg.
 

V. Das Gnadengeschenk des Lebens an den Menschen seitens des monotheistischen Imperialismus als Leben in lebenslanger Abhängigkeit vom Großgrundbesitz weltlicher und geistlicher Fürsten.

29. Der christliche Monotheismus beherrscht Europa und in Analogie zu ihm versteht sich Herrschaft vom Kaiser, über Fürsten und Grafen bis zum Landes- und Familienvater, Parteivorsitzendem, Kanzler oder Präsidenten aller Art als „Patriarchat“ und spaltet die jeweilig abhängigen Menschen in zwei Lager, in gefügige Abhängige und reservierte Abhängige. Man ist erinnert an die Teilung Israels nach dem Tode Salomos (These 16).
 
30. Kolumbus entdeckt 1492 Amerika. Der Monotheismus wirft sein unerbittliches Netz über die "Neue Welt", indem er sie vor die Wahl stellt, im Gottesdienst des Glaubens an das Evangelium lebenslang zu beharren oder als „Gottlose“ zu sterben.
 
31. 1517 - die Kirche, als Betreiberin dieses Gottesdienstes, braucht gerade Geld und kommt auf den trivialen Gedanken, sich dieses mit dem Verkauf von „Ablass“ zu beschaffen. Gemeint ist, mit diesem Opfer die vielen unvermeidlichen Gottlosigkeiten des täglichen Lebens beseitigen zu können. Das ruft Luthers Protest auf den Plan, der den Fehler des Paulus begriffen hatte, als dieser den „Glauben an das Evangelium“ kurzer Hand im monotheistischen Glaubensbekenntnis Israels, dem 1.Psalm, gegen das „Gesetz“ auswechselte und damit meinte, alles Andere in ihm stehen lassen zu können. Darum enthielt Luthers Gottesdienst nichts mehr von diesem Versuch, durch eigene menschliche Leistung Einfluss auf die Rechtfertigung vor Gott zu nehmen, wie der Ablass es allzu vulgär versuchte. Sein Gottesdienst war die Ausrufung und Erinnerung an das „Evangelium“ vom Ende allen Gottesdienstes durch Gott selber. Damit wird die Absetzbewegung des Paulus vom jüdischen Gottesdienst wieder aufgenommen. Mit der Bibelübersetzung, die das in Gang gebracht hat, schiebt die Intelligenz des Menschen ihren Fuß in die Tür der Bibel. Der Inhalt der Bibel und damit auch ihre Ungereimtheiten sind jetzt für jedermann zugänglich. Zugleich mit der Übersetzung des Alten- und Neuen Testamentes sind aber auch alle in der Bibel vorhandenen Brüche, Überarbeitungen und Unstimmigkeiten wieder ins Leben gerufen und haben eine Vielfalt von Erkenntnissen und Deutungen hervorgebracht.
 
32. Der Anfang der Kolonisation ist gemacht. Dem Beispiel Spaniens und Portugals folgen fast alle europäischen Staaten bis die „gottlose“ Bevölkerung der ganzen Erde von den Europäern kolonisiert und missioniert ist. Der Monotheismus hat unter Diffamierung aller Andersdenkenden die Welt erobert. Ähnlich der Eroberung Europas durch die Römer Es ist die Globalisierung des Willens zur Macht mit Hilfe des Monotheismus. Seinen Erfolg verdankte er der Tatsache, dass er überall auf der Erde diese, analog dem Rudelinstinkt der Tiere, natürlich gewachsene, monarchische Herrschaftsform vorfand. Von dem Gottkönigtum der Pharaonen über die Staatsauffassung Machiavellis und dem „L’Etat, c’est moi!“ Ludwig des XIV, bis in unsere Zeit der Kaiser und Könige, der Hitler und Stalin, der Franko, Pinochets und Berluskonis. Auf allen fünf Kontinenten bei kleinsten Familien - und Stammeszusammenschlüssen, bei Parteien, Wirtschaftsverbänden, Konzernen und Banken fand sich und findet sich dies urmenschliche Bedürfnis nach einer Konzentration um eine charismatische Persönlichkeit und deren Versprechen mit harter Hand Ordnung in die Menschheit zu bringen Die Methode ist immer die gleiche: Die Fügsamen schonend und die Zögernden und Widerstrebenden ins Licht von Gesetzlosen zu setzen und sie so den von ihrem Glauben in ihrer Intelligenz blockierten Jägern zum Abschuss freizugeben. „Wer nicht für uns ist. Der ist gegen uns.“ Psalm 1! Der animalische Rudelinstinkt fand im Monotheismus der Menschheit seine endgültige Gestalt.

33. 16. - 20. Jahrhundert: Im Gefolge der Aufklärung gewinnt das Aufbegehren gegen das Patriarchat von Kirche und Staat an Boden. Die Intelligenz hatte den Angriff des Monotheismus überlebt.

34.. Die französische Revolution von 1789 ist ein tiefer Einschnitt in die Geschichte des Monotheismus. Der Atheismus ( Die „Gottlosen“ des 1.Psalm ) betritt die Bühne in Gestalt der „Göttin der Vernunft“. Der gemeinsame Nenner lautet: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ im Zusammenleben der Menschen! Verblüffend ist die Übereinstimmung mit dem Jahwisten und diesem Jesus von Nazareth. Aber gepaart mit der Gewalt verliert er seine Überzeugungskraft.
 
35. Nach einem kurzen Aufbäumen des monotheistischen Patriarchats von Napoleon bis Kaiser Wilhelm II. bildet das Ende des 1.Weltkrieges wieder einen Bruch in der Geschichte des Monotheismus.
 
36. Frankreich 1871, Deutschland 1918 und Russland 1917 entledigen sich der Monarchie. Europa entmachtet die Monarchie zu Gunsten der Macht einer demokratischen Mehrheit.
 
37. Noch ehe sich die jetzigen Demokratien in Europa recht etablieren können, meldet sich der Atheismus zu Wort. Hitler setzt an die Stelle das „göttlichen Gesetzes“ den „Einheitswert“: „Rasse, Blut und Boden“, Lenin und später Stalin sehen in der „Herrschaft des Proletariats“ die Zukunft der Menschheit. Beide - das ist überraschend - kommen daher in der Rüstung des monotheistischen Imperialismus, Weltherrschaft anstrebend und allen Andersdenkenden das Leben absprechend: Der Wille zur Macht hat offenbar im patriarchischen Monotheismus die idealste Form der Herrschaft gefunden.
 

VI. Das Gnadengeschenk des Lebens an den Menschen seitens des monotheistischen Imperialismus in lebenslanger Abhängigkeit vom Großkapital geistlicher und weltlicher Fürsten.

38. Dem macht mit dem 2. Weltkrieg der monotheistische Imperialismus des Westens in Gemeinschaft mit Stalins Imperialismus im Osten ein Ende. West und Ost stehen sich nun als je eigene Imperialismen feindlich gegenüber.
 
39. Die Demokratie wähnt sich als Befreiung vom Joch des Adels und des Großgrundbesitzes. Aber auch ihre Struktur bleibt mit dem Willen zur Macht dem monotheistischen Imperialismus als Muster verhaftet.
 
40. In ihr herrscht nicht das Volk in seiner Gesamtheit, sondern immer die Mehrheit über eine Minderheit, die tierische Priorität der Macht. Ob bei der verfassungsgebenden Versammlung, ob im Parlament, ob bei Volksbefragungen, immer wird das „Gesetz“, was die Mehrheit beschließt. Zwei Tendenzen haben sich dabei im Laufe der Zeit herausgebildet, die sich entweder als Regierung oder als Opposition einander im Parlament gegenüberstehen. Die einen, die Sesshaften und Etablierten, die Starken , die Arbeitgeber, dem Kain der Bibel vergleichbaren, zur Herrschaft sich berufen fühlend dort. Auf der anderen Seite stehen die Schwächeren , ständig von den Starken abhängigen, zum Dienen verurteilten Arbeiter, dem Abel der Bibel vergleichbar. - Die „Konservativen“ dort und die nach Unabhängigkeit strebenden Arbeiterparteien hier. - Bei den Wahlen in den Demokratien geht es im Grunde immer um die Entscheidung zwischen diesen beiden Lebensauffassungen: Der tierischen, nach der der Starke dazu bestimmt ist über das Schwächere zu herrschen, oder der humaneren nach „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ aller Menschen.
 
41. Diese Machtkämpfe zwischen Regierung und Opposition landen letztlich beim Bundesverfassungsgericht, wo über loyal und illoyal gegenüber dem Grundgesetz entschieden wird, entsprechend der Handhabung des 1. Psalms, die Verlierer unterjochend und diffamierend.
 
42. Der monotheistische Imperialismus mit seinem Zugriff auf das ganze Leben des Menschen durch das „Gesetz“ zielt auf eine heile Welt, aus der am Ende alles Widerstrebende ausgerottet sein muss. Der ärgste Feind dieses Bestrebens ist die Intelligenz des Menschen. Sie wacht mit höchster Aufmerksamkeit über seine Freiheit. Darum ist sie zentral dem Angriff des Monotheismus ausgesetzt, der wie wir sahen, sie dadurch auszurotten versuchte, dass er sie durch ein göttliches, das ganze Leben bestimmendes „Gesetz“ ersetzte, das dem tierischen Instinkt des Menschen konform war und in einem entsprechend gestalteten Gottesdienst dem Leben der Menschen lückenlos übergeworfen wurde, an seiner Intelligenz vorbei.

Aber weit gefehlt, so leicht gibt sich das Leben nicht geschlagen. In der Folgezeit, der Geburtstunde des monotheistischen Imperialismus, hatte dieser keine ruhige Minute vor dieser Intelligenz des Lebens. (Schon die Einheit der 12 Stämme Israels zerbricht daran! s.o.) Die Intelligenz, als dem Leben innewohnend, lebte und lebt weiter in dieser alle Widerstände beseitigenden Kraft des Lebendigen. Den Monotheismus aber beschleicht das Gefühl, mit seinem Angriff auf die Intelligenz des Menschen an den Falschen geraten zu sein und sein eigenes Ende damit eingeläutet zu haben „Extra ecclesiam nulla salus“. („Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil“) Das Leben hat diesen Satz immer schon Lügen gestraft, indem es wahrnehmbar sehr wohl Leben, heiles Leben außerhalb der Monotheismen gibt. Er selber aber hinterlässt eine Straße, eine breite Schneise der Zerfleischung und Selbstzerfleischung des Lebens, von der noch kein Ende abzusehen ist.
 

VII. Das den Menschen geschenkte Leben der JHWH-Ebenbildlichkeit, ohne den Willen zur Macht über Menschen und ohne Dienstbarkeit unter Menschen.

43. Nach der Ablösung der Macht des monotheistischen Prinzips der Monarchien im Zusammenleben der Menschen, wäre der nächste Schritt: Die Ablösung der Macht des monotheistisch gehandhabten „Gesetzes“ (Grundgesetz) in den Demokratien, wie es nach dem 1.Weltkrieg im Völkerbund und nach dem 2.Weltkrieg in der UNO versucht wurde.
 
44. Im Weltsicherheitsrat sind die 11 mächtigsten Staaten der UNO beisammen, jeder mit einer Stimme. Was nicht einstimmig beschlossen wird, muss warten, und kann noch nicht in die Tat umgesetzt werden. Jeder einzelne Staat versagt sich der Macht über einen der anderen Staaten und gewährt sie keinem. Für Ränkespiele und Vorteilnahme ist kein Platz, denn erst wenn alles Misstrauen und damit jeder Widerspruch ausgeräumt ist, ist der Weg zu einer Einigung frei (s. auch These 8).

Das Veto eines Mitgliedes des Sicherheitsrates ist hier der Terror des Monotheismus im Kleinen: "Extra ecclesiam nulla salus", ohne mich kommt nichts zustande! Das ist das Ende menschlicher Hilfsbereitschaft und zugleich das Ende intellektuellen Menschseins. Dann bleibt nur noch: Einer von uns beiden muss verschwinden.
 
45. Zur Würde des Menschen gehört seine Intelligenz.
Sie ist das Besondere, das Menschliche in seiner animalischen Selbstbestimmung. In ihr wohnt als der Wächter über seine Freiheit das  Misstrauen. Indem der Mensch kraft seiner Intelligenz Einsicht zu nehmen vermag in die verborgenen Zusammenhänge des Schutzes seines Lebens, wird ihm die Einsicht zuteil, dass dieser Schutz dann gewährleistet ist, wenn er sein eigenes Schutzbedürfnis auch seinem Mitmenschen zugesteht. d.h. dem Misstrauen keinen Raum lässt. Die fünf Sätze der 2.Tafel des Dekalogs sind der Ertrag dieses Nachdenkens, sie sind das Moralische in uns.
 
46. Der unbändige Freiheitswillen des Menschen, sein tierisches Erbe, ist erpressbar.

47. Der Monotheismus nach Psalm 1 ist eine solche Erpressung, indem er die Menschheit vor die Wahl stellt, entweder zu denen zu gehören, die „in seinen Gesetzen wandeln und reden von seinen Gesetzen Tag und Nacht“ oder zu den „Gottlosen“, „Sündern“ und „Spöttern“ die dem Todesurteil unterliegen: „sie bleiben nicht im Gericht, noch in der Gemeinschaft der Gerechten“ und „ihr Weg vergehet“. „Extra ecclesiam nulla salus!“ Tertium non datur. Hier wird vom „Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen“ gegessen. Hier wird genau definiert, was „gut“ und was „böse“ ist. Hier wird das „divide et impera“ zum göttlichen Prinzip erhoben.

48. Mit dieser Erpressung stehen sich die drei Religionen biblischen Ursprungs gegenüber.
 
49. So kommt es zu der Selbstzerfleischung der monotheistischen Religionen, in der Einer den Anderen zum „Gottlosen“ stempelt und ihn ausrotten oder missionieren zu müssen meint, oder der Eine dem Anderen das Zusammenleben mit ihm unerbittlich verweigert. Nach Psalm 1 haben sie keine andere Wahl. So endet das Zusammenleben, wo die Intelligenz ausgerottet ist.
 
50. Der Antijudaismus ist also im Grunde ein Antimonotheismus, nein nicht einmal das, sondern der unbändige Freiheitswillen des Menschen wendet sich instinktiv gegen das Tier in sich selber und dagegen, an seiner Intelligenz vorbei, etwas denken, entscheiden und tun zu sollen.
 
51. Die Evolution, das mächtige Vordringen des Lebens ins Leblose, vollzog sich in einer Weise, die dem Bestand des Lebens bis jetzt noch nicht gefährlich werden konnte, obwohl das Leben sich alleine vom Lebendigen ernähren muss.
 
52. Mit dem Menschen kam als Gipfel dieses Siegeszuges seine Intelligenz ins Dasein. Mittels dieser vollzog sich die Evolution in der Folgezeit auch im kulturellen und zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit. Wiederum vom Leben lebend, als Jäger, Hirte, Bauer oder Bürger.
 
53. Und jetzt sind wir Menschen von der Übervölkerung der Erde vor die Frage gestellt: Wie wir dieser ausufernden Evolution begegnen sollen?
 
54.Welche Rolle könnten wir Menschen bei der Bewältigung dieses Problems spielen angesichts der Globalisierung des monotheistischen Willens zur Macht hier und der Globalisierung der lebensbedrohenden Evolution dort?
 
55. Die beiden Globalisierungen stoßen nicht zufällig hart auf einander in der Frage der Geburtenregelung.
 
56. Der monotheistische Wille zur Macht besteht auf deren Verbot. Denn das Wirtschaftswachstum ist die notwendige Folge eines Geburtenwachstums. Wer denn sonst soll die produzierte Ware abnehmen, als der Nachwuchs?
 
57. Was ist zu tun? Der Häutungsprozess der Menschheit vom Tier zum Menschen ist so alt wie der Mensch selber.
 
58. Er vollzieht sich in jedem Menschen neu, in dem Maße, in dem er seiner Intelligenz vorenthalten oder ihr ausgehändigt wird.

59. Was ist intelligent? Auf der Spur zurückgehen, auf der wir das Angebot hatten, dem Tierischen in uns abzusagen und statt dessen ein anderer, selbstbeherrschter, hilfreicher Mensch zu sein.

60. Gestern ermächtigte der amerikanische Kongress seinen Präsidenten militärisch gegen Sadam Hussein vorzugehen. Gleichzeitig verlieh Stockholm dem ehemaligen Präsidenten der U:S:A., Jimi Cater den Friedensnobelpreis. So nahe  sind das Tierische und die Intelligenz auch heute noch in uns beieinander und zugleich so fern. Aber die Weisheit unserer Intelligenz lebt noch und überlässt dem Tierischen nicht das Feld. Sie überlebt vor allem in den Büchern unserer Dichter und Denker aller Zeiten selbst in der Bibel, wenn wir sie in  ihr suchen. Sie überlebt aber auch als moralisches Gesetz in uns, wenn wir eine tiefe Abneigung gegen alle Gewalt  und gegen jeden Zwang an Mensch und Tier in uns bewahren.
Wir sind nun einmal aus dem Tier hervorgegangen. Das hat unsere Einsicht zur Kenntnis nehmen müssen. Wir wünschten uns als Spezies Mensch programmiert zu sein. Das ist nicht so. Es liegt in unserer Hand, der zu sein, zu dem wir gerne programmiert wären: Mensche zu sein, kein Tier. So müssen wir selber aus uns machen, was wir sein möchten: Gehilfen zum Leben, selbstbeherrscht, ohne den Willen, unsere Mitmenschen zu überwältigen und ohne Feindschaft zu ihnen aufkommen zu lassen.

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