Schule - Im
Frühjahr 1964 haben sich die Schüler der Gächinger Oberklasse im
Unterricht gemalt.
Mit Fotografien von früher und heute sind die Kunstwerke jetzt zu sehen
Bilder
vom Selbst
VON CHRISTINE
DEWALD
ST.
JOHANN-GÄCHINGEN.
Die beiden
Klassenfotos zeigen richtige Kinder, manche
schüchtern, manche aufgeweckt. Die Mädchen meist mit Zöpfen, die Buben
mit pflegeleichtem
Kurzhaarschnitt. 1964 sind die Aufnahmen entstanden, eines zwei Minuten
nach
dem anderen. Zwischendrin haben die Schüler der Oberklasse im Gächinger
Schulhaus ganz schnell die Plätze getauscht - die hinteren nach vorn,
damit
alle einmal gut auf dem Foto zu sehen sind. Lehrer Hans Eberhardt hält
sich
lächelnd im Hintergrund.
Die beiden
Klassenfotos flankieren eine kleine, aber ganz
ungewöhnliche Ausstellung, die am Wochenende im alten Schulhaus in
Gächingen
eröffnet wurde. Die Schüler der 5. bis 8. Klasse, die im ersten Stock
des
Schulhauses gemeinsam unterrichtet wurden, haben in diesem Frühjahr
1964
nämlich auch gemalt. Sich selbst, nach ihrem Abbild im Spiegel. Das war
die
ldee ihres Aushilfslehrers Joachim Wilhelmy. der später am Münsinger
Gymnasium
unterrichtete und noch immer in Gächingen lebt. Damals absolvierte
Wilhelmy
nach dem Studium hier sein Volksschulpraktikum. Und der Junglehrer war
so
begeistert von den Bildern seiner Schüler, dass er ihnen anbot. Sie
abzukaufen.
Die meisten machten mit. »Uns war das Geld damals lieber«, wusste einer
noch
nach mehr als 50 Jahren.
Die Zöpfe
abgeschnitten
Schon für
sich genommen ist der Klassensatz an
jugendlichen Selbstportraits ein kleiner Schatz, weswegen er
anschließend auch
ans Kinderkunstarchiv Erfurt übergehen soll. Was die Ausstellung aber
einzigartig
macht, ist die Verbindung der Bilder mit Fotografien, Ausschnitten aus
dem
alten Klassenfoto und Aufnahmen aus späteren Jahren. Dabei wird
deutlich: Die
jungen Gächinger haben ihr Selbst gemalt - nicht unbedingt so, wie sie
damals
aussahen, sondern häufig so, wie sie sich selbst sehen wollten und wie
sie zum
Teil dann auch geworden sind. Dem Foto des Erwachsenen ähneln die
Bilder oft
mehr als dem jugendlichen lch.
Bezopfte
Mädchen malten sich eine schicke Kurzhaarfrisur
- die Haare in Wirklichkeit abzuschneiden, wäre damals oft noch einer
Rebellion
gleichgekommen. Schmächtige Buben malten sich als gestandene Männer,
schüchterne Schülerinnen als grünäugige Schönheiten. Ein Mädchen
schmückte
besonders liebevoll ihre Kleidung aus - sie ist Schneiderin geworden.
Ein Junge
malte sich ohne Augen - er schielte stark.
Die Einträge
ins Gästebuch fassen es zusammen: »Diese
Ausstellung ist nicht nur für Gächinger spannend«. (GEA)
Öffnungszeiten:
Zu sehen ist die Ausstellung in der alten Gächinger Schule noch an zwei Wochenenden im September: am Samstag und Sonntag, I6. und 17. sowie 23. und 24. September, jeweils von 11 bis 14 Uhr. Joachim Wilhelmy ist dabei anwesend. (dew)