Dorfhock in Gächingen: Die zwei Seiten einer Medaille
Dieser
Leserbrief wurde in der SWP veröffentlicht. Der GEA hat ihn - aus
welchen Gründen auch immer - nicht veröffentlicht. Ein Würtinger Freund
von mir bemerkte nur: "Kennst Du den Spitznamen vom GEA nicht?
Reutlinger General 'Verschweiger'!" Ich kannte ihn nicht, aber vielleicht
ist ja was dran.
Wenn
ich den mir vorliegenden Bericht über den Dorfhock in Gächingen lese, dann ist
der Dorfhock offensichtlich in den unkritischen Augen der Berichterstatterin
ein voller Erfolg. Ein einig‘ Dorf feiert gemeinsam mit seinen Gästen ein
tolles Fest. Das beigefügte Foto ist bei Tag aufgenommen, die „Redaktörin“
(törichte Jungfrauen / Bibel) ist wahrscheinlich bei Einbruch der Dunkelheit
schon längst verschwunden, aber dieser Tag ist ja noch nicht zu Ende. Es fehlt
die andere Seite der Medaille, die Nacht! Aber wer nicht „Redaktörin“, sondern
RedakteurIn sein will, sollte doch über die ganze Medaille berichten!
Hier die Nacht- und zugleich die
Schattenseite:
Einige
– aus Erfahrung klug gewordene – verlassen Gächingen jedes Jahr. Einige würden
dies gerne tun, können es aber aus gesundheitlichen Gründen nicht, bzw. sind
durch die Pflege von Angehörigen an Gächingen gebunden. Andere bleiben, aber es
graut ihnen schon im Voraus. Prophylaktisch wenden sie sich im Vorfeld an den
Ortsvorsteher und die Münsinger Polizei und verlangen von diesen die
Gewährleistung der Einhaltung der Gesetzte zu Nachtruhestörung und
Körperverletzung. Einige schimpfen nur über den „Scheiß-Dorfhock jedes Jahr“,
der nichts mit dem seinerzeit ins Leben gerufene Dorfhock zu tun hat. „Mein
Vater würde sich im Grab rum drehen, wenn er sehen würde, was aus dem Dorfhock
geworden ist.“ (Damals: Kein Commerz, keine Gäste aus Nah und Fern, vielleicht
Verwandtschaft aus Lonsingen. Eigene Live Musik. Ende von Musik und lautem
Singen spätestens 12:30, ausnahmsweise auch mal 1:00).
Hier
kurz die Fakten: In beiden Nächten Disco-Musik und Gesang – meist mehr Gegröhle
- bis 5 Uhr morgens. Mehrere Polizeieinsätze, mit Anschließender Beschimpfung
der Polizei: „Haut ab, Ihr Bullenschweine, fahrt nach Hause.“ (Namen einiger
Rufer sind laut Zeugen bekannt, darunter auch Söhne von in der Kommune
engagierten Elternteilen und natürlich allesamt Mitgliedern von den
hochgelobten Vereinen, die – von unsern Steuern unterstützt - ja angeblich eine
tolle Jugendarbeit betreiben!). Krankenwagen-Einsatz – volltrunken. Der Vorname
eines Anwohners, der die Polizei angerufen hatte, wurde später in drohendem Ton
dreimal gerufen „*****!“, „*****!“, „*****!“ Gemeinhin nennt man das
Psychoterror.
An die
Adresse der Presse: All das fehlt in dem Bericht. So war er nur die übliche
Hofberichterstattung. Der Veranstalter diktiert den Text, ein paar wohlwollende
Befragungen der hilfreichen Kräfte und ein Wohlfühlfoto. Tut mir leid. Das ist
keine seriöse Berichterstattung.
Für
etliche Anwohner/Innen waren diese zwei Nächte traumatische Erlebnisse. Stellen
Sie sich vor, sie verbringen den Abend bewusst weit ab vom Geschehen und kehren
nach Mitternacht in ihre Wohnung im Ortskern zurück: Die Disco-Musik 25 Meter
von Ihrer Wohnung entfernt, bringt in den folgenden vier Stunden ihr Herz zum
Rasen und ihren Hund können sie zitternd im Arm haltend beruhigen. Stellen Sie
sich vor sie sind alt oder krank und benötigen den Schlaf unbedingt, denken sie
an die, die am nächsten Tag zur Arbeit müssen. Ich habe mich gefragt, was kann
ich von Leuten halten, denen das alles scheißegal ist. Meine einfach Antwort:
Sie sind asozial. Wer sozial ist, ist demokratisch, respektiert das Grundgesetz,
seine dort verankerten Menschenrechte und die Gesetze, die in unserem Namen
erlassen wurden und denkt – auch als Atheist – an seinen Nächsten. Der soziale
Mensch respektiert die Polizei, die bei der Durchsetzung der Einhaltung dieser
Gesetze eine wichtige und schwierige, wenn auch nicht immer eine rühmliche
Rolle spielt. All dies war den Veranstaltern scheißegal!
Das
große Rätsel: Wer trägt die Verantwortung und wen können wir bei einer
geplanten Anzeige als Täter nennen? Im Amtsblatt steht der „Alb-Verein“. Welche
Verantwortung trägt der DJ? Beim Anruf um polizeiliche Hilfe, hieß es
jedenfalls, er, der Polizist, müsste erst einmal nach der Genehmigung der
Veranstaltung suchen. Es scheint also ein Genehmigungs-Dokument zu geben.
Drücken Sie uns die Daumen, dass es gefunden wird. Wir sind gespannt, wer dafür
seinen Namen hergegeben hat.
P.s.
Ich hatte ruhige Nächte. Als ich dann aber über das Geschehen von Bekannten und
Freunden - z. T. unter Tränen und in
höchster Erregtheit - hörte, und sie mich baten etwas zu unternehmen, glaubte
ich nicht, mich dem entziehen zu dürfen. Daher der Leserbrief.
Joachim
Wilhelmy, Neue Steige 25, 72813 St. Johann-Gächingen