„Herrschaft noch a
mol!“ (schwäbisch) Was ist mit St.Johann los?
Da liest der erstaunte Zeitungsleser in einem Bericht über
die Verpflichtung von Florian Bauer für eine zweite Amtszeit „für ihn bedeute
das Amt aber „eine Herrschaft auf Zeit““ sollte das Zitat korrekt sein, dann
scheint einer die Geschichte nicht zu kennen. Bereits 1514 im Bauernkrieg lehnte
sich der Würtinger Singerhans und der Bleichstetter Konrad Griesinger gegen die
Herrschaft auf – es gab dazu ein Theaterstück vom Lehrer Hans Eberhardt, das
anlässlich von 850 Jahren Würtingen Ohnastetten und Upfingen im Festzelt und in
der Festhalle in Würtingen von einigen Mitbürgern und mir aufgeführt wurde.
Allerdings trafen sich die Anhänger von Singerhans und Griesinger lieber in
Gächingen, denn da war man etwas revolutionärer. Sie wurden von der Herrschaft (in
Gestalt von Forstmeister Stephan Weiler aus Urach) brutal niedergemacht und
gefoltert. Und dann nicht - zu vergessen - die 1848 Revolution, in der Liberale
und Sozialisten die Herrschaft abschaffen und durch demokratische Strukturen
ersetzen wollten, mit dem Höhepunkt eines ersten Parlamentes in der Frankfurter
Paulskirche. Aber auch diese Revolution wurde von der Herrschaft sehr schnell
niedergeschlagen. Erst nach der Herrschaft eines Kaisers, der den 1. Weltkrieg
verlor, wurde in der Weimarer Republik – wieder mit Hilfe der Liberalen – die
Herrschaft durch eine Verfassung ersetzt, um dann wieder von einer Herrschaft
mit entsetzlichen Folgen ersetzt zu werden. Welch ein Glück, dass wir heute
keine Herrschaft mehr haben, sondern Gesetze, an die sich jeder zu halten hat,
auch ein Bürgermeister. Hat Herr Bauer die Geschichte vom Singerhans, einem
Bauern aus Würtingen und die der Liberalen - denn er ist ja Mitglied der FDP,
also der Liberalen Partei - nie gelesen? Heute hat ein Bürgermeister keine
Herrschaft, und sei es nur eine auf Zeit, mehr auszuüben, sondern er ist
gewählt und hat ein Amt nach Recht und Gesetz zu verwalten und zu gestalten. Mit
anderen Worten, er ist ein vom Bürger bezahlter Dienstleister und die
Gemeinderäte/innen haben die Aufgabe ihn dabei zu unterstützen oder ihm aber
auch mal kräftig auf die Finger zu hauen, wenn er meint wieder Herrschaft
spielen zu können.
Das scheint aber bis heute nicht nur bei den Bürgermeistern,
sondern auch in der gesamten Gemeindeverwaltung, aber auch auf den Landratsämtern
usw. mehr in den Leitbildern zu lesen zu sein, als in der Realität gelebt zu
werden. So versuchte ich neulich einen Text einer Anzeige, die ich bei der
Polizei erstattet hatte und deren Text von der Polizei an die örtliche Polizeidienststelle
nach St. Johann weitergeleitet wurde, kopiert zu bekommen, da mein Computer
durch einen Festplattendefekt den Text nicht mehr enthielt. Was ich wollte, war
also nur mein geistiges Eigentum als Kopie, aber die Dame im Amt, meinte sie
dürfe das nicht und verweigerte die Kopie. Man fragt sich: Welche Herrschaft
stand hinter dieser Entscheidung? Wohl kein Gesetz, denn geistiges Eigentum ist
urheberrechtlich geschützt und das Urheberrecht liegt in diesem Fall ja
eindeutig bei mir. Na, ja, mit Hilfe eines wunderbaren, längst überfälligen
Gesetzes aus dem Jahr 2020, dem BIF-Gesetz
(Bürger-Informations-Freiheits-Gesetz), das die Behörden zwingt uns Bürgern
Einblick in die Akten (selbstverständlich mit Schwärzung personenrelevanter
Daten) zu gewähren, werde ich meinen Text dann als Kopie bekommen und
vielleicht auch ein Antwort darauf, warum meine Zeugen in dieser Anzeige nicht
befragt und deren Wissen übergangen wurde.
Dass man im Amtsblatt der Gemeinde St.Johann „St.Johann Aktuell“,
das mit wenigen amtlichen, vielen nichtamtlichen Nachrichten (Vereine /Kirchen)
die Seiten füllt - trotz meiner Anregung an eine Gemeinderätin - keine
Möglichkeit hat, Leserbriefe zu veröffentlichen, finde ich traurig, denn muss
ganz Reutlingen, ganz Metzingen und wohl auch Münsingen über die Querelen in
St.Johann informiert werden? Müssen wir „Nicht-Vereinler“ erst einen Verein
oder eine Kirche gründen, um im Amtsblatt auftauchen zu dürfen? Ich habe eine
andere Idee: Wir machen einen „St.Johann Blog“. Es wäre schön, wenn sich jemand
mit Erfahrungen im Bloggen bei mir melden würde. Meine Telefonnummer steht im
Telefonbuch und wenn Sie in die Google-Suche „Selbstportraits Ausstellung
Gächingen 1964“ eingeben, finden Sie auch meine Homepage.
Joachim Wilhelmy, Gächingen